Laut ECCHR hat der syrische Geheimdienst sexualisierte Gewalt systematisch als Waffe eingesetzt. Im Strafprozess wegen Staatsfolter am OLG Koblenz wird das nun unter dem Völkerstrafrecht verhandelt.
In dem laut Anklage weltweit ersten Strafprozess wegen Staatsfolter in Syrien wird nun auch mutmaßliche sexualisierte Gewalt als mögliches Verbrechen gegen die Menschlichkeit verhandelt. Damit würden in dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht (OLG) Koblenz derartige Vorwürfe ebenfalls gemäß dem Völkerstrafrecht und nicht wie zuvor nur als Einzelfälle nach dem deutschen Strafgesetz beleuchtet, teilte die Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) mit.
Das OLG Koblenz bestätigte am Donnerstag, dass der zuständige Staatsschutzsenat einen entsprechenden rechtlichen Hinweis gegeben hat. An der laut den Vorwürfen der Anklage bereits drohenden lebenslangen Haftstrafe für den einzigen verbliebenen Angeklagten ändere sich nichts.
ECCHR-Rechtsanwältin Joumana Seif erklärte mit Blick auf den seit zehn Jahren in Syrien tobenden Bürgerkrieg, nicht zuletzt der Koblenzer Prozess habe gezeigt: "Die syrischen Geheimdienste setzen sexualisierte Gewalt systematisch als Waffe ein, um die Zivilbevölkerung zu unterdrücken. Für uns Syrer, für die vielen Überlebenden und ihre Angehörigen ist es ein wichtiges Zeichen, dass dies nun auch ein deutsches Gericht in diesem ersten Verfahren zu den Verbrechen der syrischen Regierung so behandelt." Dieser Schritt könne Betroffenen Hoffnung geben, anerkannt und gesehen zu werden". Überlebende von sexualisierter Gewalt in Syrien, insbesondere Frauen, werden laut ECCHR oft diskriminiert, wie auch Zeugen im Koblenzer Prozess berichtet hätten, und sogar von ihren Familien verstoßen.
Das OLG hatte kürzlich einen der ursprünglich zwei Angeklagten zu viereinhalb Jahren Haft wegen der Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Der nach Deutschland geflohene und hier festgenommene Ex-Geheimagent hatte laut Gericht dazu beigetragen, in Syrien 30 Demonstranten des Arabischen Frühlings in ein Foltergefängnis zu bringen. Der Syrer legte Revision ein.
Gegen den Angeklagten Anwar R. läuft der Prozess weiter. Ihm legt die Bundesanwaltschaft als mutmaßlichen einstigen Vernehmungschef eines Foltergefängnisses in Syrien die Verantwortung für 58-fachen Mord, für die Folter von mindestens 4.000 Menschen sowie für eine schwere sexuelle Nötigung und eine Vergewaltigung zur Last. Zu Prozessbeginn stritt der einstige syrische Oberst diese Vorwürfe ab. Auch er war nach Deutschland geflohen und hier festgenommen worden. Der Koblenzer Prozess ist vorerst bis zum 27. Oktober terminiert.
dpa/acr/LTO-Redaktion
Syrien-Staatsfolter-Prozess am OLG Koblenz: . In: Legal Tribune Online, 19.03.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44536 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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