Ein getrennt lebender Ehegatte, der Verfahrenskostenhilfe für ein familienrechtliches Verfahren gegen den anderen Ehegatten beantragt, muss hinnehmen, dass das Familiengericht seine Angaben zu Einkommen und Vermögen dem anderen Ehegatten zur Überprüfung zusendet, selbst wenn es in dem beantragten familiengerichtlichen Verfahren nicht um unterhaltsrechtliche Auskunftsansprüche geht.
Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz entschieden und wegen grundsätzlicher Bedeutung die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen.
Die Beteiligten sind getrennt lebende Eheleute. Die Antragstellerin hat bei dem Amtsgericht (AG) Diez beantragt, ihr die Ehewohnung vorläufig zur alleinigen Nutzung zuzuweisen. Für dieses gerichtliche Verfahren hat sie die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt. Dem Antrag war die Erklärung der Ehefrau über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den entsprechenden Belegen beigefügt.
Das AG hat nach Anhörung der Antragstellerin beschlossen, die Erklärung und die Belege zum eingereichten Verfahrenskostenhilfeantrag an den Ehemann als Antragsgegner zu übermitteln. Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Sie hat die Auffassung vertreten, es bestehe kein Recht zur Übersendung der Unterlagen, da zwischen den Beteiligten weder Trennungs- noch Kindesunterhaltsansprüche anhängig gemacht worden seien. Eine andere Auslegung der Vorschrift würde dazu führen, dass in allen familienrechtlichen Verfahren zukünftig alle Unterlagen zur Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe der Gegenseite zugänglich gemacht werden könnten. Dies verstoße gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.
Der zuständige 7. Zivilsenat – 4. Senat für Familiensachen – des OLG Koblenz hat in seinem Beschluss vom 4. November 2010 (Az.: 7 WF 872/10) die Entscheidung des AG Diez bestätigt, dass die Erklärung und die Belege zum eingereichten Verfahrenskostenhilfegesuch an die Gegenseite zu übermitteln sind. Nach der Ergänzung des § 117 Abs. 2 ZPO durch Einfügung des Satzes 2 durch das FGG-Reformgesetz sei dem Gericht grundsätzlich die Befugnis eingeräumt worden, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dem Gegner zur Einsichtnahme und Stellungnahme zuzuleiten.
Die Regelung solle nach der Begründung des Gesetzgebers dazu dienen, eine größere Gewähr für die Richtigkeit der Angaben zu erreichen, weil der andere Beteiligte falsche oder fehlende Angaben aufdecken werde. Voraussetzung hierfür sei, dass zwischen den Beteiligten nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts ein Anspruch auf Auskunft über die Einkünfte und das Vermögen bestehe. Vorliegend bestehe ein solcher Anspruch nach § 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB (Auskunftsanspruch unter getrennt lebenden Ehegatten). Bei Bestehen eines Auskunftsanspruchs könnten die Beteiligten grundsätzlich jederzeit gegenseitig Auskunft verlangen. Ein Verstoß gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, wie von der Antragstellerin befürchtet, sei daher ebenso wenig ersichtlich wie ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. Mithin reiche die bloße Existenz eines Auskunftsanspruchs nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs aus. Es sei nicht Voraussetzung, dass der Auskunftsanspruch konkret fällig oder er Gegenstand des zugrunde liegenden Verfahrens sei.
OLG Koblenz: . In: Legal Tribune Online, 15.11.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1933 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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