Die Bundesrepublik haftet nicht im Dieselskandal. Bei der Erteilung und Überwachung der Typengenehmigung von VW-Dieseln ist es laut OLG Koblenz zu keinem Versäumnis des Kraftfahrt-Bundesamtes gekommen, das die Haftung auslösen könnte.
Im Dieselskandal gab es kein Versagen des Gesetzgebers und auch nicht des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA). Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz in einem kürzlich veröffentlichen Urteil entschieden und eine Haftung der Bundesrepublik damit verneint (Urt. v. 27.05.2021, Az. 1 U 1685/20).
Geklagt hatte eine VW-Kundin, deren VW Polo mit dem vom Abgasskandal betroffenen Motor des Typs EA 189 ausgestattet ist. Sie nahm die Bundesrepublik aus unionsrechtlicher Staatshaftung in Anspruch, weil Deutschland in "qualifizierter" Weise gegen die EU-Typengenehmigungsrichtlinie 2007/46/EG verstoßen habe. Deutschland habe versäumt, für Verstöße der Hersteller wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen vorzusehen. Zudem habe das KBA für den verfahrensgegenständlichen Fahrzeugtyp rechtswidrig eine Typgenehmigung erteilt. Das Landgericht (LG) Koblenz wies ihre Klage ab.
Das OLG bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz nun. Die Richtlinie verleihe dem einzelnen Käufer kein subjektives Recht, aus dem ein individueller Anspruch abgeleitet werden könnte. Die Richtlinie diene vielmehr der Harmonisierung des Binnenmarktes und ziele dagegen nicht auf den Schutz individueller Interessen, insbesondere nicht auf den Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts.
EU-Vorgaben wurden hinreichend umgesetzt
Zudem fehle es an einem "hinreichend qualifizierten" Verstoß gegen Unionsrecht. Ein solcher sei laut OLG gegeben, wenn die Grenzen, die das Gemeinschaftsrecht bei der Umsetzung einer Richtlinie dem Ermessen des Mitgliedsstaates oder des für ihn handelnden Organs setze, offenkundig und erheblich überschritten werden. Die sei aber nicht der Fall. Das KBA habe die europäischen Vorgaben mit den in der EG- Fahrzeuggenehmigungsverordnung normierten Ordnungswidrigkeiten und der Möglichkeit zum (Teil-)Widerruf oder zur Rücknahme der Typengenehmigung hinreichend umgesetzt. Auch bei der Ausübung seiner Kontrollpflichten treffe das KBA kein Versäumnis, für das die Bundesrepublik haften könnte.
Die Koblenzer Entscheidung ist mittlerweile rechtskräftig. Es ist nicht das erste Mal, dass die Frage der Amtshaftung im Zusammenhang mit dem VW-Skandal die deutschen Gerichte beschäftigt. Bereits das LG Stuttgart und das LG Frankfurt am Main entschieden im vergangenen Jahr, dass die Bundesrepublik nicht wegen Amtspflichtverletzungen haftet.
acr/LTO-Redaktion
OLG Koblenz sieht kein Versagen des Gesetzgebers: . In: Legal Tribune Online, 26.08.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45837 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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