Der Käufer eines Pkw kann vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn eine veränderte Fahrzeugidentifikationsnummer einen Diebstahlverdacht begründet. Das entschied das OLG Hamm in einem am Freitag bekannt gegebenen Urteil.
Ein in Minsk/Weißrussland lebender Mann erwarb 2011 einen gebrauchten Toyota Land Cruiser von einem Autohändler aus Augustdorf/Nordrhein-Westfalen. Bei der Einreise nach Polen fiel den Behörden auf, dass die Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) des Toyotas nicht gestanzt, sondern kopiert und aufgeklebt war. Die polnischen Behörden vermuteten daher einen Diebstahl und beschlagnahmten das Fahrzeug, um es dem früheren Eigentümer auszuhändigen.
Es gelang den polnischen Behörden schließlich, den ursprünglichen Eigentümer ausfindig zu machen – eine spanische Autovermietung. Der Toyota war dort im Jahr 2007 gestohlen worden, wurde dann offenbar nach Polen verbracht, gelangte danach über eine polnische Firma im Oktober 2008 in den Besitz einer polnischen Familie, wurde innerhalb der Familie vererbt und von einem Familienmitglied dann im April 2011 an den Autohändler aus Augustdorf veräußert. Dieser verkaufte das Fahrzeug im Mai 2011 dann an den Weißrussen.
Nach der Beschlagnahme des Wagens durch die polnischen Behörden erklärte der weißrussische Käufer den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte den Kaufpreis zurück. Auch seine Aufwendungen wollte er erstattet bekommen. Der Autohändler weigerte sich jedoch, den Kaufvertrag rückabzuwickeln. Er habe jedenfalls durch den Erbfall in Polen Eigentum an dem Fahrzeug erworben und dieses dann beim Verkauf vertragsgemäß auf den Weißrussen übertragen. Ein Rücktrittsgrund liege nicht vor.
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm gab schließlich dem Käufer Recht. Das Fahrzeug weise einen Rechtsmangel auf, der zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtige. Der Rechtsmangel werde durch die polnische Beschlagnahme des Fahrzeugs begründet, die auch die Rückgabe des Fahrzeugs an die ursprünglich berechtigte spanische Autovermietungsfirma vorbereiten solle und so zu einem endgültigen Besitzverlust des Klägers führen könne.
Auf einen möglichen (gutgläubigen) Erwerb des Fahrzeugs beim Erbfall in der polnischen Familie könne sich der Autohändler nicht berufen, weil der Käufer im Zeitpunkt seiner Rücktrittserklärung keine Informationen und Nachweise gehabt habe, um den polnischen Behörden einen derartigen Erwerb nachzuweisen. Die am Fahrzeug veränderte FIN begründe zudem einen Sachmangel des Fahrzeugs, der den Rücktritt ebenfalls rechtfertige (Urt. v. 09.04.2015, Az. 28 U 207/13).
mbr/LTO-Redaktion
OLG Hamm zum Gebrauchtwagenkauf: . In: Legal Tribune Online, 11.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16875 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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