Ein Vorstand macht sich nicht dadurch strafbar, dass er eine verbotene Abbildung an einem Vereinsgebäude aus politischen Gründen nicht entfernt, entschied das OLG Hamm. Eine Garantenstellung aus Gesinnung dürfe es nicht geben.
In einem Rechtsstreit um eine verbotene Abbildung an einem Vereinsgebäude hat sich ein Vereinsvorsitzender aus Bielefeld letztinstanzlich vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm durchgesetzt. Er hat sich strafrechtlich nicht dafür zu verantworten, dass er einen rechtswidrigen Zustand nicht beseitigt – aus welchen politischen Gründen auch immer (Urt. v. 23.11.2020, Az. III-3 RVs 47/20).
Auf der Rollade eines unabhängigen Jugendzentrums ist seit 1994 ein zweimal drei Meter großes Bild mit einer Flagge der Nationalen Befreiungsfront Kurdistans (ERNK), einer Teilorganisation der in Deutschland seit 1993 verbotenen PKK, zu sehen. Die Polizei wurde nach einer anonymen Email im Jahr 2017 auf die Abbildung aufmerksam. Gegenüber dem Vorstandsmitglied kündigte sie nach Gerichtsangaben an, auf eine strafrechtliche Verfolgung zu verzichten, wenn das Symbol freiwillig entfernt werde.
Weil der Aufforderung aber niemand nachkam, klagte die Staatsanwaltschaft den Vereinsvorsitzenden an, da er das Kennzeichen eines verbotenen Vereins verwende. Vom Amtsgericht (AG) Bielefeld ist er deswegen auch zu einer geringen Geldstrafe verurteilt worden. In der zweiten Instanz sprach das Landgericht (LG) Bielefeld den Mann allerdings frei, wogegen die Staatsanwaltschaft in Revision ging.
OLG: Politische Anschauung darf nicht über Strafbarkeit entscheiden
Aber auch das OLG konnte kein strafrechtlich relevantes Verhalten des Vorstands erkennen. Er sei nicht dazu verpflichtet gewesen, die Abbildung zu beseitigen – zumal er sie nicht selbst angebracht habe und erst seit 2013 in verantwortlicher Person innerhalb des Vereins sei, so der zuständige 3. Strafsenat.
Das OLG lehnte damit eine Garantenstellung ihm Rahmen des vorgeworfenen Unterlassungsdelikts ab. Anderes als die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründung, stellte das Hammer Gericht nicht darauf ab, welchen Grund der Mann damit verfolgte, das Bild nicht beseitigen zu wollen - die Anklage trug umfassend zu der Ausrichtung des Vereins und dem naheliegenden politischen Motiv vor. Dies würde nach dem OLG aber im Ergebnis dazu führen, dass eine Gesinnung unter Strafe gestellt werden würde, indem die politische Ausrichtung über eine Unterlassungsstrafbarkeit entscheide.
Dies widerspreche eindeutig den Werten des Grundgesetzes (GG) und insbesondere dem schrankenlos gewährten Grundrecht Art. 3 Abs. 3 GG, heißt es in der Begründung des OLG. Danach darf niemand wegen seiner politischen Anschauung benachteiligt werden.
Eine andere, durch das rechtskräftige Urteil nicht entschiedene Frage sei, ob der Vorsitzende oder der Verein das Bild wegen einer ordnungsbehördlichen Verpflichtung entfernen müssten.
mgö/LTO-Redaktion
OLG Hamm zur Unterlassungsstrafbarkeit: . In: Legal Tribune Online, 26.11.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43556 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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