Der Rechtsstreit um den Song "Metall auf Metall" der Band Kraftwerk dauert schon mehr als 20 Jahre und das OLG Hamburg hätte ihn beenden können – hat es aber nicht. Es ließ erneut die Revision zu. Und so könnte es nochmal zum EuGH gehen.
Der Rechtsstreit um das zweisekündige Sample aus dem Song "Metall auf Metall" kann weitergehen. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg (Urt. v. 28.04.2022, Az. 5 U 48/05) hat seine bislang dritte Entscheidung in dem Fall gefällt, auf deren Klägerseite Kraftwerk und auf deren Beklagtenseite unter anderem der Hip-Hop-Produzent Moses Pelham stehen. Es ist die bislang zehnte Entscheidung in dem Rechtsstreit, der seit 1999 anhängig ist - und vermutlich auch nicht die letzte, denn das OLG ließ wieder die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zu. Künftig könnte es dann dort um die Frage des "Pastiche" nach § 51a Urheberrechtsgesetz (UrhG) gehen, wie ein Pressesprecher des OLG der LTO mitteilt. Die Urteilsgründe liegen noch nicht vor.
Der Rechtsstreit ist aus mehreren Gründen bemerkenswert. Er läuft nicht nur seit über 20 Jahren - er führte auch zu maßgeblichen Gesetzesänderungen im Urheberrecht, wie der Abschaffung der freien Benutzung in § 24 UrhG a.F. und die Einführung einer Pastiche-Schranke im neuen § 51a UrhG.
Hintergrund des Falles ist ein zweisekündiges Sample aus dem Song "Metall auf Metall" der Gruppe Kraftwerk. Beim Sampling wird ein Teil eines Songs, der sich auf einem Tonträger befindet, diesem entnommen und in einen anderen Song eingefügt. Genau das hat der Hip-Hop-Produzent Moses Pelham getan – und zwar ohne zuvor Kraftwerk zu fragen. Ob das so geht oder eine zustimmungspflichtige Vervielfältigung oder Verbreitung darstellt, ist seit Klageerhebung im Jahr 1999 Gegenstand von bislang zehn Gerichtsentscheidungen, darunter vier Mal der BGH, ein Mal das BVerfG und ein Mal der EuGH. Nach einer BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2020 landete der Streit wieder vor dem OLG Hamburg.
OLG sieht "Pastiche"
Das OLG hob das erste Urteil in dem Rechtsstreit des LG Hamburg aus dem Jahr 2004 teilweise auf und differenziert, wie vom BGH vorgegeben, zwischen mehreren Zeiträumen. Vor dem 22. Dezember 2002 gilt ausschließlich das nationale Recht mit den Vorgaben des BVerfG. Demnach stellt das Sampling der zwei Sekunden zwar eine Vervielfältigung dar, sie ist aber über die freie Benutzung nach § 24 UrhG a.F. in analoger Anwendung zulässig. Das bestätigte nun auch das OLG. Kraftwerk stehen diesbezüglich also keine Ansprüche zu, das Sample war zulässig.
Nach dem 22. Dezember 2002 spielt jedoch das Unionsrecht in Form der InfoSoc-Richtlinie samt Vorgaben des EuGH hinein. Der BGH entschied im Jahr 2020, dass auch hier eine Vervielfältigung und damit Rechtsverletzung Kraftwerks vorliegt, die auch nicht über eine Pastiche-Schranke oder eine Zitatschranke gerechtfertigt sei. Ob aber überhaupt in diesem Zeitraum eine Vervielfältigung stattgefunden hat, musste das OLG klären – und bejahte das. Kraftwerk steht demnach also ein Anspruch auf Schadensersatz und auf Auskunft und Herausgabe der Vervielfältigungsstücke zu: "Die Beklagten haben durch das unstreitige Angebot zweier Tonträger ('Best of') im Jahre 2004 für die Zwischenzeit Wiederholungsgefahr für eine Vervielfältigung begründet", so das OLG. Dass es sich bei dieser Vervielfältigung um eine Rechtsverletzung handelt, stehe nach der Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2020 fest.
Aber ist der Rechtsstreit nun beendet? Höchstwahrscheinlich nein, denn das OLG ließ die Revision zu – und zwar in Bezug auf den dritten relevanten Zeitraum in diesem Fall. Seit dem 7. Juni 2021 gibt es in Deutschland in § 51a Urheberrechtsgesetz (UrhG) eine neue Schranke für Pastiche. Was das überhaupt im rechtlichen Sinne ist, ist übrigens unklar. Jedenfalls kommt es laut Gesetzesbegründung auf die wahrnehmbaren Unterschiede zwischen zwei Werken an, wobei eins das andere nachahmt oder imitiert, allerdings auf eine wertschätzende oder künstlerische Weise. Die Einführung des Pastiche ins deutsche Urheberrecht ist maßgeblich auf den Rechtsstreit um "Metall auf Metall" zurückzuführen, wie es in der Gesetzesbegründung auch eindeutig steht. So soll auch Sampling darunter fallen, was nun das OLG bestätigte.
Es wendete die Norm für die Nutzungshandlungen ab dem 7. Juni 2021 an - und bejahte sie. "Die im Streitfall in Rede stehende Vervielfältigung der Sequenz aus 'Metall aus Metall' und ihre Überführung in ein eigenständiges neues Werk im Wege des Sampling fällt nach Auffassung des Senats unter den Begriff des 'Pastiches'", so das OLG – sie ist also gerechtfertigt. "Da es insofern auf die Auslegung und Reichweite des unionsrechtlichen Begriffs des Pastiches in § 51a UrhG n.F. ankommt, hat der Senat die Revision zugelassen", so das OLG weiter.
Nun liegt es an Kraftwerk, ob sie die Möglichkeit wahrnehmen und zum fünften Mal den BGH mit dem Fall befassen - und dort könnte es wiederum zu einem Vorabentscheidungsersuchen kommen, um Auslegungsfragen aus dem Unionsrecht klären zu können. In Anbetracht der Hartnäckigkeit der Musiker dürfte relativ eindeutig sein: Die unendliche Geschichte um "Metall auf Metall" geht weiter.
OLG Hamburg lässt wieder Revision zu: . In: Legal Tribune Online, 28.04.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48280 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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