240 Abmahnungen in einem Jahr ohne unmittelbaren wirtschaftlichen Bezug zum Abmahnenden? Das wertete das OLG Frankfurt als Zeichen für Rechtsmissbrauch, der den Geldbeutel füllen sollte.
Über 240 Abmahnungen in einem Jahr auszusprechen, die sich auf Verstöße ohne unmittelbaren wirtschaftlichen Bezug zum Abmahnenden beziehen, spricht für ein missbräuchliches Vorgehen. Dem Abmahnenden stehen deshalb keine Ansprüche auf Erstattung der für die Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten zu, wie das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem am Freitag bekanntgewordenen Urteil entschied (Urt. v. 12.11.2020, Az. 6 U 210/19).
Geklagt hatte eine in Hamburg ansässige GmbH, die 2017 gegründet wurde. Die GmbH hatte ein Reisebüro erfolglos abgemahnt, weil deren Webseite keinen klickbaren Link zur europäischen Streitschlichtungsplattform für Streitschlichtungen im Online-Handel (OS-Plattform) enthielt. Die Verlinkung zu der OS-Plattform ist allerdings für alle Online-Händler Pflicht.
Die auf Unterlassen und Ersatz der entstandenen Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage der GmbH hatte vor dem OLG jedoch keinen Erfolg. Laut Gericht ist es unzulässig, Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassen wegen einer unzulässigen geschäftlichen Handlung geltend zu machen, wenn dies vorwiegend dazu diene, "gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen." Von einem Missbrauch sei auszugehen, wenn das "beherrschende Motiv sachfremde, für sich genommen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele sind."
Dem OLG zufolge spricht bereits die hohe Zahl von über 240 Abmahnungen innerhalb eines Jahres, die sich in fast allen Fällen auf die fehlende Verlinkung zur OS-Plattform oder auf die Verletzung anderer Pflichten von Diensteanbietern bezogen, für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der GmbH. Sie werde durch die Verstöße nicht unmittelbar in ihrer wirtschaftlichen Betätigung berührt. Auch ihr Marktzugang werde durch die fehlenden Links nicht erschwert.
Zu berücksichtigen sei auch, "dass die Klägerin - wenn überhaupt - nur vorübergehend und in sehr speziellen Segmenten des Reisevermittlermarktes tätig ist," betont das OLG in einer Mitteilung. "Ihren eigenen Angaben nach befinden sich die meisten ihrer angeblichen Tätigkeiten im Planungsstadium und dies seit mehreren Jahren", hieß es weiter. Das Verhalten der GmbH lasse laut Gericht "daher nur den Schluss zu, dass es ihr in erster Linie darum geht, sich im Zusammenwirken mit ihrem Prozessbevollmächtigten durch die Abmahntätigkeit eine Einnahmequelle zu erschließen".
acr/LTO-Redaktion
OLG Frankfurt: . In: Legal Tribune Online, 13.11.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43423 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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