Ein Elternteil darf von einem gerichtlich geregelten Umgang mit dem anderen Elternteil nicht einseitig wegen der Corona-Pandemie abweichen. Macht es das doch, droht ein Ordnungsgeld, so das OLG Frankfurt.
Der familiengerichtlich geregelte Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil darf ohne eine rechtfertigende Änderungsentscheidung des Gerichts nicht unter Hinweis auf die Corona-Kontaktbeschränkungen wegen der Verbreitung des Coronavirus verweigert werden. Das entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main per unanfechtbarem Beschluss, der am Donnerstag veröffentlicht wurde (Beschl. v. 08.07.2020, Az. 1 WF 102/20). Gegen einen Elternteil, der den Umgang gleichwohl nicht gewährt, könne ein Ordnungsgeld verhängt werden, so das Gericht.
Während der Coronakrise kommt es immer wieder zu Versuchen von Eltern, unter dem Vorwand existierender Corona-Kontaktbeschränkungen dem anderen Elternteil das Umgangsrecht zu verweigern. Indes: Einen Umgang mit der schlanken Begründung "wegen Corona" abzusagen ist nach einhelliger Auffassung von Familienrechtlern rechtswidrig.
In dem nun vom OLG Frankfurt zu entscheidenden Fall war der Umgang des gemeinsam mit der Mutter sorgeberechtigten Vaters mit dem 10-jährigen Kind der Eltern mit Beschluss des Familiengerichts im August 2018 geregelt worden. Danach durfte der Vater regelmäßig am Wochenende sowie in den Ferien sein Kind treffen. Bei schuldhaften Zuwiderhandlungen gegen diese Regelungen konnte ein Ordnungsgeld bis zu 25.000 € angeordnet werden.
Telefonate und Balkon kein Ersatz für persönlichen Umgang
Im März 2020 kam es zum Konflikt zwischen den Eltern hinsichtlich des Umgangs. Ende März teilte die Mutter dem Vater mit, dass sie den direkten Umgang zwischen Vater und Kind aussetze, da im Haushalt Corona-Risikogruppen lebten. Der Vater könne ja mit dem Kind telefonieren und es von der Straße aus auf dem Balkon sehen. Mit im Haus, jedoch nicht in derselben Wohnung, wohnen die Großeltern des Kindes.
Auf Antrag des Vaters setzte das zuständige Familiengericht Ende Mai wegen Zuwiderhandlung gegen die gerichtlich festgelegte Umgangsregelung ein Ordnungsgeld gegen die Mutter in Höhe von 300 Euro fest. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Mutter hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Da die Mutter dem Vater ab Mitte März 2020 bis jedenfalls Ende Mai 2020 keinen persönlichen Kontakt mit ihrem gemeinsamen Kind gewährte, liege eine Zuwiderhandlung gegen die gerichtliche Umgangsregelung vor. Die Mutter habe diese Zuwiderhandlung auch zu vertreten, so das Gericht.
Im Verfahren hatte sich die Mutter erfolglos darauf berufen, dass der gerichtlich geregelte Umgang wegen der Kontaktbeschränkungen und der Gefahr der Verbreitung des Corona-Virus nicht habe stattfinden können, da sie selbst zu einer Risikogruppe gehöre und das Kind mit seinen Großeltern in einem Mehr-Generationenhaus wohne.
Das OLG Frankfurt stellte daraufhin unmissverständlich klar, dass der umgangsverpflichtete Elternteil - hier die Mutter - grundsätzlich nicht ohne Einverständnis des umgangsberechtigten Elternteils (Vater) befugt sei, entgegen einer familiengerichtlichen Regelung über die Ausgestaltung und das Stattfinden des Umgangsrechts zu disponieren. Auch der Umstand, dass sich die Mutter irrtümlich hierzu berechtigt gefühlt habe, lasse ihr Verschulden nicht entfallen, so das OLG.
Gericht: Corona-Kontaktbeschränkungen ohne Auswirkungen auf Umgang mit Kind
Grundsätzlich hätten zudem die Kontaktbeschränkungen wegen der Verbreitung des Corona-Virus zu keinem Zeitpunkt dazu geführt, dass Umgangskontakte von Elternteilen mit ihren Kindern nicht mehr stattfinden können bzw. konnten. Das Bundesministerium für Justiz habe vielmehr darauf hingewiesen, dass das Umgangsrecht aufgrund der Corona-Pandemie nicht auszuschließen sei. Die Empfehlung, soziale Kontakte möglichst zu vermeiden, beziehe sich nicht auf die Kernfamilie. Hierzu gehörten auch Eltern in verschiedenen Haushalten. "Der Umgang zwischen dem nicht betreuenden Elternteil und dem Kind gehört zum absolut notwendigen Minimum zwischenmenschlicher Kontakte und unterfällt damit einem Ausnahmetatbestand", stellte das OLG heraus.
Ohne Erfolg hatte die Mutter zudem auf eine freiwillige Quarantäne im Hinblick auf ihre eigene Vorerkrankung und das Alter der im Haus lebenden Großeltern verwiesen. Die Entscheidung, das Kind ebenfalls einer freiwilligen Quarantäne zu unterstellen, hätte von den Eltern gemeinsam im Rahmen ihrer Sorgerechtsbefugnis getroffen werden müssen, so das OLG.
Hasso Suliak, OLG Frankfurt zum Umgangsrecht: . In: Legal Tribune Online, 20.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42546 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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