OLG Frankfurt: Kein Sch­mer­zens­geld wegen über­zo­gener Angst vor Krebs

16.05.2023

Eine Frau lebt eigenen Angaben nach in Angst, weil sich ihr Krebsrisiko durch die Einnahme eines verunreinigten Medikaments um 0,02 Prozent erhöht hat. Schmerzensgeld gibt es dafür aber nicht, wie das OLG Frankfurt entschied. 

Ein um 0,02 Prozent erhöhtes Krebsrisiko ist bei objektiver Betrachtung nicht geeignet, Ängste und Albträume zu verursachen. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt in einer am Dienstag veröffentlichten Entscheidung klargestellt und die Schmerzensgeldklage einer Frau gegen einen Arzneimittelhersteller abgewiesen (Urt. v. 26.04.2023, Az. 13 U 69/22).  

Eine Frau, die ein blutdrucksenkendes Arzneimittel einnimmt, hatte den Hersteller des Medikaments verklagt. Dieser hatte 2018 alle Chargen mit einem bestimmten Wirkstoff zurückgerufen, weil es beim Hersteller des Wirkstoffs zu Verunreinigungen mit einem Stoff gekommen war, der als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft ist. Laut Europäischer Arzneimittelagentur erhöhte die Verunreinigung das "Lebenszeit-Krebsrisiko" allerdings bei der Einnahme der Höchstdosis über einen Zeitraum von sechs Jahren nur um 0,02 Prozent. Das allgemeiner Lebenszeitrisiko für Frauen, an Krebs zu erkranken, wird für Deutschland mit 43,5 Prozent angegeben. 

Die Klägerin hatte behauptet, seit dem Rückruf unter der psychischen Belastung, an Krebs zu erkranken, zu leiden. Das Wort "krebserregend" beunruhige sie so sehr, dass sie tagsüber oft an ihre ungewisse gesundheitliche Zukunft denke und nachts von Albträumen geplagt werde. Mit Ihrer Klage forderte sie dafür ein Schmerzensgeld von mindestens 21.500 Euro.

Risikoeinschätzung nicht nachvollziehbar

Nachdem bereits das Landgericht Darmstadt ihre Klage abwies, hatte nun auch die Berufung am OLG keinen Erfolg. Die Frau habe bereits keine "erhebliche" Verletzung ihrer Gesundheit nachgewiesen, entschied das OLG. Ihre Schilderungen seien ungenau, pauschal und belegten keine behandlungsbedürftige Gesundheitsverletzung.  

Die Risikoerhöhung von 0,02 Prozent verbleibe in einem Rahmen, "der nicht in relevanter Weise über dem allgemeinen Lebensrisiko liegt und damit generell bei objektiver Betrachtung nicht geeignet ist, die behaupteten psychischen und physischen Folgen auszulösen", begründet das OLG weiter. Die ganz geringfügige Erhöhung des Krebsrisikos gegenüber dem allgemeinen Krebsrisikos sei nicht per se als Schaden zu werten. Die individuelle Risikoeinschätzung der Frau hielt das OLG für nicht objektiv nachvollziehbar. "Überzogene Reaktionen auf die Nachricht, dass ein eingenommenes Medikament möglicherweise Verunreinigungen enthält, die möglicherweise krebserregend sind, können (...) der Beklagten nicht zugerechnet werden", schloss das OLG.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Frau kann noch mit der der Nichtzulassungsbeschwerde die Revision begehren.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OLG Frankfurt: . In: Legal Tribune Online, 16.05.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51790 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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