Müssen sich Agenten im Fußball dem Verbandsrecht unterordnen – oder dürfen sie nach dem Grundsatz der freien Marktwirtschaft agieren? Das OLG Frankfurt am Main hat dazu geurteilt. Der Streitfall könnte noch vor dem BGH landen.
Die Rechte und Pflichten von Spielerberatern im Milliarden-Geschäft Profifußball werden Vereine und Verbände weiter beschäftigen. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat am Dienstag Teile des DFB-Reglements für Spielervermittler für unwirksam erklärt. Diese Entscheidung in einem jahrelangen Rechtsstreit zwischen dem Deutschen Fußball-Bund und der Spielerberater-Agentur Rogon von Roger Wittmann traf der Kartellsenat des OLG (Urt. v. 30.11.2021, Az. 11 U 172/19). Klar ist aber auch: Provisionen für die Vermittlung von minderjährigen Talenten dürfen die Berater weiter nicht kassieren.
Die Entscheidung des OLG ist noch nicht rechtskräftig. Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Fast 200 Millionen Euro gab die Bundesliga 2019/2020 für Spielerberater aus. Das Treiben der meist öffentlichkeitsscheuen Agenten ist nach Ansicht von Kritikern längst aus dem Ruder gelaufen.
Kläger Wittmann, Geschäftsführer der in Frankenthal ansässigen Firma Rogon, berät unter anderen Stars wie Julian Draxler, Roberto Firmino, Marcel Sabitzer und Thilo Kehrer. Sein Anwalt beruft sich auf den Grundsatz des freien Wettbewerbs und darauf, dass seine Branche rein wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgehe. Die Deutsche Fußballspieler-Vermittler-Vereinigung (DFVV) hatte die Klage ihres Mitglieds Wittmann unterstützt.
Der Weltverband FIFA stellt sich gerade beim Transferwesen neu auf und will die vor fünf Jahren gelockerten Vorschriften für Spielerberater wieder verschärfen. Dabei könnten auch Provisionen gedeckelt werden. In der juristischen Auseinandersetzung mit dem DFB um das 2015 eingeführte Beraterreglement stand vor allem die Vorgabe, sich als Spielerberater beim DFB registrieren zu lassen und damit dem Verband zu unterwerfen.
Unterwerfung unter Verbandsgerichtsbarkeit nicht erforderlich
Gerechtfertigt sind nach der Entscheidung des OLG auf Grundlage der sogenannten Meca-Medina-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urt. v. 18.07.2006, Az. C-519/04) folgende Punkte des DFB-Reglements: Die Registrierungspflicht der Vermittler, die Verpflichtung der Bekanntgabe von Vergütungen und Zahlungen und das Verbot einer Honorarzahlung bei der Vermittlung von Minderjährigen.
Dagegen sei es aus kartellrechtlicher Sicht nicht hinnehmbar, wenn der Verband den außenstehenden Spielervermittlern auferlege, alle Bestimmungen der FIFA und des DFB anerkennen und sich der Verbandsgerichtsbarkeit unterwerfen zu müssen. Der Umfang und Inhalt dieser zahlreichen Bestimmungen sei für die Spielervermittler nicht hinreichend bestimmbar. Eine Unterwerfung unter die Verbandsgerichtsbarkeit sei nicht erforderlich, so das OLG.
Auch das Verbot der prozentualen Beteiligung des Spielervermittlers an einem Weitertransfer bei bestimmten Vertragskonstellationen könne aus kartellrechtlicher Sicht nicht gebilligt werden, hieß es in der OLG-Mitteilung. Hier geht es darum, dass ein Spieler von einem Verein zu günstigen Konditionen verpflichtet wird. Wenn sich dieser als Volltreffer erweist und zu einem größeren Club wechselt, dann durfte der Spielerberater bisher nicht daran partizipieren.
Da die Scouts überall auf der Welt längst nach Talenten fahnden, die wesentlich jünger als 18 sind und diese theoretisch mit vollendetem 16. Lebensjahr bereits in der Bundesliga spielen dürfen, war auch die Vergütung bei der Vermittlung von Minderjährigen ein Streitpunkt. Die Agenten berufen sich darauf, dass solche Talente bei Verhandlungen auch vor den Vereinen und möglichen Knebelverträgen geschützt werden müssten. Das OLG urteilte jedoch zu Gunsten des DFB: "Der Beklagte wolle die Minderjährigen als besonders vulnerable Gruppe vor einer nicht an sportlichen, sondern finanziellen Anreizen motivierten Einflussnahme auf ihre Spielerkarrieren schützen."
Spielerberater-Verband appelliert an DFB: "Rechtswidrige Praxis beenden"
Begrüßt wurde die Frankfurter Urteil am Dienstag vom Geschäftsführer des Spielerberater-Verbandes DFVV, Rechtsanwalt Dr. Philipp Wehler: "Völlig zu Recht hat das OLG heute dem DFB ins Stammbuch geschrieben, dass die zwingende Unterwerfung der Spielervermittler unter die DFB-/DFL-Statuten kartellrechtswidrig ist und einen Verstoß gegen Artikel 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) darstellt." Ebenso habe das Gericht "völlig zu Recht" der Vorgabe des DFB eine Absage erteilt, dass juristische Personen, also zum Beispiel eine GmbH, sich nie alleine als an einem Transfer beteiligte Person beim DFB registrieren lassen könnten, sondern immer auch natürliche Personen die für die Tätigkeit als Spielervermittler notwendige Registrierung beim Verband vornehmen müssten, um einen Spieler in Zusammenhang mit deutschen Fußballclubs beraten zu können. "In keiner anderen Branche wird ein Akteur in vergleichbarer Weise gezwungen, sein Geschäft in einer bestimmten Rechtsform zu erbringen und in die unbegrenzte persönliche Haftung gezwungen", so Wehler. Der DFB mnsse nun schnell reagieren und seine "rechtswidrige Praxis" beenden.
Grundsätzlich positiv reagierten auch Sportrechtler gegenüber LTO auf die Entscheidung des OLG: Obwohl die Kläger nicht mit allem durchgedrungen seien, "sind solche Verfahren wichtig, um die Grenzen des Rechts zu bestimmen", sagte der Düsseldorfer Fachanwalt für Sportrecht, Dr. Paul Lambertz. Für die Verbände als Regelgeber werde einmal mehr deutlich, wie wichtig eine gute Begründung für ihre Regeln sei. "Die Zeiten, dass Regeln einfach hingenommen werden, sind schon lange vorbei", so Lambertz.
DFB will "weitere Schritte" prüfen
Der Berliner Sportrechtler und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, Fabian Reinholz, zeigte sich aus mehreren Gründen gespannt auf die Urteilsbegründung: "Das OLG hält es offenbar für unbedenklich, dass Spielervermittler überhaupt einem Reglement unterworfen sind, das sie beschränkt." Was das Gericht nun unter einer "gewissen Kontrolle über Aktivitäten von Vermittlern" vertehe, werde sich aus der Begründung ergeben. Dass sich laut OLG die Vermittler nicht komplett dem Regelwerk der Verbände unterstellen und die Verbandsgerichtsbarkeit anzuerkennen müssen, hält der Anwalt für richtig: "Wenn wir Anwälte Spieler beraten wollten, warum sollten wir uns der Verbandsgerichtsbarkeit unterwerfen müssen?"
Gespannt ist man offenbar auch beim DFB auf die Urteilsbegründung: Auf Anfrage von LTO teilte der Verband mit, dass man diese sorgfältig auswerten werde und anschließend – auch unter Berücksichtigung der anstehenden neuerlichen Reform der Vorgaben für Spielervermittler durch die FIFA – über mögliche weitere Schritte entscheiden werde.
dpa/acr/hs/LTO-Redaktion
OLG Frankfurt: . In: Legal Tribune Online, 30.11.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46794 (abgerufen am: 17.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag