In einer Whatsapp-Gruppe prahlten Kämpfer und Unterstützer der Terrormiliz Islamischer Staat mit ihren Gräueltaten. Ein 23-Jähriger will auf der Flucht vor der Realität in die Islamistenszene im Internet geraten sein.
Ein 23-Jähriger hat vor dem Oberlandesgericht (OLG) Celle gestanden, in einer Whatsapp-Gruppe Kämpfer für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angeworben zu haben. Er habe das aus Einsamkeit und auf der Suche nach Anerkennung gemacht, erklärte der in Hannover geborene Türke am Freitag über seinen Verteidiger. Demnach hatte er damals Liebeskummer und spielte nächtelang Computerspiele: Zwischen März und Juli 2015 seien bei ihm die Grenzen zwischen Realität und virtueller Welt verschwommen. "Ich bin kein Befürworter von Krieg und Leid, sondern ein friedlicher Mensch", betonte der kräftige junge Mann. "Ich bereue, was ich getan habe."
Ursprünglich hatte die Anklage ihm die Unterstützung einer Terrorgruppe im Ausland sowie das Rekrutieren von Mitgliedern zur Last gelegt. Das Gericht ließ den Anklagepunkt der Unterstützung aber fallen und hält nur das Werben von Mitgliedern für eine Terrorgruppe in zwei Fällen für beweisbar. Damit droht dem Angeklagten eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Weil er zum Tatzeitpunkt 20 Jahre alt war, könnte er als Heranwachsender nach Jugendstrafrecht verurteilt werden. Er sitzt nicht in Untersuchungshaft, jedoch wurde ihm sein Pass entzogen.
Mit Religion hatte der mutmaßliche IS-Anwerber nach eigener Aussage nie viel zu tun. Im richtigen Leben sei er heute noch ein Außenseiter, Freunde habe er eigentlich nur im Internet. Dort klickte er vor drei Jahren bei immer mehr islamistischen Facebook-Seiten auf "Gefällt mir" und vernetzte sich in der Szene. "Allahu Akbar" hieß die Whatsapp-Gruppe mit zeitweise rund 55 Teilnehmern, in der begeisterte Berichte von Kämpfern und Märtyrern ausgetauscht wurden. Der in Laatzen bei Hannover lebende 23-Jährige soll zeitweise Administrator dieser Gruppe gewesen sein.
Geld für Reise zum IS geboten
Einem Facebook-Freund namens "Mo Zart" aus Frankfurt soll er während dessen Ausreise zum IS in Sprachnachrichten Tipps gegeben haben. Erst an der türkisch-syrischen Grenze gab der 21-Jährige sein Vorhaben auf, für die Terrormiliz zu kämpfen. "Mo Zart" soll am nächsten Prozesstag als Zeuge gehört werden. "Dem Angeklagten ging es darum, den IS zu unterstützen", sagte Staatsanwältin Maidie Schenk. "Mir gefiel das Mystische am IS", räumte der mutmaßliche Rekrutierer der Terrormiliz ein. "Heute distanziere ich mich von den Gräueltaten."
Selbst zog er es nicht in Erwägung, in Syrien zu kämpfen. Einem Interessierten in der Whatsapp-Gruppe bot er aber sogar Geld, sollte er "runtergehen" - Geld, das er gar nicht besaß. Bis heute hat der 23-Jährige mit Realschulabschluss keinen Ausbildungsplatz. Er habe aber mittlerweile einen festen Job und wolle bald heiraten, sagte er vor Gericht.
Nach Angaben des niedersächsischen Verfassungsschutzes ist die Ausreise radikalisierter Islamisten von Niedersachsen Richtung Syrien und Irak inzwischen praktisch zum Erliegen gekommen. Bundesweit reisten in den vergangenen Jahren allerdings über 1.000 Extremisten aus, davon 85 aus Niedersachsen. Von ihnen kehrten 36 inzwischen zurück. Die Zahl der Extremisten aus Niedersachsen, die in Kämpfen getötet wurden, liegt laut Verfassungsschutz im niedrigen zweistelligen Bereich.
dpa/acr/LTO-Redaktion
23-Jähriger soll Terroristen-Nachwuchs angeworben haben: . In: Legal Tribune Online, 03.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30163 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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