Noch vor kurzem warnten die Grünen vor zu viel "Law and Order". Nun wollen sie gemeinsam mit der SPD Saufgelagen in Städten per Verbot einen Riegel vorschieben. Die FDP spottet über diesen Sinneswandel.
Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) will den Kommunen nach dem Einlenken der Grünen nun rasch ein begrenztes Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen ermöglichen. Eine Neuregelung im Polizeigesetz könne mit Unterstützung der Grünen womöglich schon im kommenden Frühjahr greifen, teilte Gall am Montag in Stuttgart mit. Dann soll die Polizei zum Beispiel zwischen 22.00 Uhr abends und 06.00 Uhr morgens ein Verbot verhängen können, wenn es an bestimmten Orten nach "Saufgelagen" regelmäßig zu Gewalt kommt. Grüne und SPD wollen den Städten aber keinen Freibrief für ein Verbot geben, sondern es an weitere Auflagen knüpfen.
Der SPD-Innenexperte Nikolaos Sakellariou sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Es muss schon zu erheblichen Strafaten aus größeren Gruppen auf öffentlichen Plätzen gekommen sein." Zudem wolle man die Kommunen in die Pflicht nehmen, zunächst Präventionsangebote auszuschöpfen, bevor sie zum Alkoholkonsumverbot schreiten können. Die Grünen erklärten, ein Verbot komme nur für zehn bis 15 Südwest-Kommunen infrage, die Probleme mit Saufgelagen und Gewaltexzessen auf Plätzen hätten. In ihrem Wahlprogramm hatten die Grünen ein solches Trinkverbot klar abgelehnt.
Die Grüne Jugend reagierte entsetzt. "Alkoholverbote sind ein schwerwiegender Eingriff in die persönliche Freiheit. Wir wehren uns massiv gegen solche Überlegungen der grünen Fraktion", sagte der Landessprecher Marcel Emmerich. Damit werde der Rahmen des Koalitionsvertrages verlassen. "Vielleicht ist dies ja ein verfrühtes Nikolausgeschenk für die Polizei." Schon jetzt hätten die Behörden die Möglichkeit, etwa mit Platzverweisen, für Ruhe und Ordnung zu sorgen.
Probleme mit Saufgelagen an sozialen Brennpunkten
Dagegen begrüßte die CDU-Fraktion, "dass sich die Grünen offensichtlich eines Besseren sukzessive besinnen". Grün-Rot springe aber zu kurz, wenn nur Großstädte ein Alkoholverbot verhängen könnten. "Wir halten das noch nicht für ausreichend", sagte CDU-Fraktionschef Peter Hauk. Auch kleinere Kommunen hätten Probleme mit Saufgelagen an sozialen Brennpunkten.
Der Sinneswandel der Grünen-Fraktion ist auf das Drängen der drei Oberbürgermeister Boris Palmer (Tübingen), Dieter Salomon (Freiburg) und Horst Frank (Konstanz) zurückzuführen. Die drei hatten schon im Sommer einen Brief an Fraktionschefin Edith Sitzmann geschrieben. Daraufhin hatte es im Oktober ein Gespräch gegeben. Zuletzt hat Salomon noch an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) geschrieben. Darin heißt es: "Ich würde mich freuen, wenn mit der Änderung des Polizeigesetzes ein wichtiger Schritt zur Eindämmung von Gewalttaten und der notwendige Handlungsspielraum für die Kommunen geschaffen wird."
Freiburg hatte vor über drei Jahren bereits ein Alkoholverbot erlassen, um den öffentlichen Besäufnissen in einem Stadtviertel Herr zu werden, das intern als Bermuda-Dreieck bezeichnet wird. Allerdings klagte ein Jurastudent dagegen und gewann vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg. Seit Mitte 2009 ist der öffentliche Griff zur Flasche damit wieder erlaubt. Aber auch in anderen Städten ist das Problem virulent. Schon vor der Landtagswahl hatten etwa 30 Städte Alarm geschlagen.
Die Liberalen reagierten mit Spott auf den Schwenk der Grünen. "Nachdem die Grünen jetzt den Bahnhof räumen, sammeln sie auch ihre sonstigen Positionen ein", sagte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Auch Landeschefin Birgit Homburger sagte: "Die Grünen laufen mit diesem populistischen und unpraktikablen Vorschlag blind einer alten Forderung der CDU hinterher." Die FDP hatte in der Zeit der schwarz-gelben Regierung die CDU-Pläne für eine Gesetzesverschärfung ausgebremst.
dpa/age/LTO-Redaktion
Neuregelung im Polizeigesetz: . In: Legal Tribune Online, 06.12.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4974 (abgerufen am: 06.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag