Bei einer Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages haben Experten über die vom BMJV vorgelegten Änderungen des NetzDG beraten. Neben verfassungsrechtlichen Bedenken zeigten sich auch Zweifel, ob die Strafjustiz nicht überlastet wird.
Der Rechtsausschuss des Bundestags hat sich am Mittwoch mit den Änderungen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) beschäftigt. Bei der Experten-Anhörung zeigte sich die Befürchtung, dass die Strafjustiz mit den Fallzahlen überfordert seien könnte.
Mit dem Gesetz will die Bundesregierung einer im Internet und besonders in den sozialen Medien zunehmend zu beobachtenden Verrohung der Kommunikation entgegentreten. Der Entwurf, der im März in erster Lesung im Bundestag diskutiert wurde, sieht als eine zentrale Neuerung eine Meldepflicht für soziale Netzwerke wie Facebook und Co. an das Bundeskriminalamt (BKA) vor. Daneben sollen auch einige Straftatbestände um typische Verfehlungen bei der Online-Kommunikation erweitert werden.
Prof. Dr. Armin Engländer begrüßte diese erweiterten Beleidigungstatbestände, die einen der Schwerpunkte des Entwurfs bilden. Zu weit gehen seiner Ansicht nach aber die ebenfalls angedachten Änderungen beim Straftatbestand der Bedrohung. Diese würden die Strafjustiz an ihre Belastungsgrenze bringen, so der Strafrechtler von der Ludwig-Maximilian-Universität München.
DAV kritisiert Meldepflicht der sozialen Netzwerke
Eine Mammutaufgabe sieht auch Oberstaatsanwalt Andreas May auf die Ermittlungsbehörden zukommen. Zudem sieht der Vertreter der Zentrale zur Bekämpfung der Internetkriminalität bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main die Aufgaben des BKA kritisch, die aus seiner Sicht nicht klar genug geregelt sind.
Nach dem Entwurf sollen soziale Netzwerke dazu verpflichtet werden, strafbare Inhalte an das BKA zu melden. Die Meldepflicht soll aber nur auf solche Inhalte beschränkt sein, bei denen konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass ein Straftatbestand erfüllt ist. Darüber hinaus müssen sie sich auch negativ auf die Meinungsfreiheit auf dem Portal auswirken können. Gegen diesen Plan hat Stefan Conen vom Deutschen Anwaltverein (DAV) große Bedenken: Private Unternehmen würden so zu einem "meldepflichtigen Vorposten der Strafverfolgung" werden, so der Strafverteidiger.
Auch Rechtsanwältin Josephine Ballon von der gemeinnützigen Organisation HateAid sah bei der Abwägung von Strafverfolgung und Freiheitsrechten Nachbesserungsbedarf. Die Juristin befürchtet, dass durch die Vorbewertung privater Unternehmen Grundrechte in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt werden könnten. Rechtsanwalt Henning Lesch, Geschäftsbereichsleiter Politik, Recht & Regulierung beim Verband der Internetwirtschaft eco, sieht darin tiefgreifende Einschnitte in das informationelle Selbstbestimmungsrecht, in das Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität von Kommunikationssystemen sowie in das Fernmeldegeheimnis.
mgö/LTO-Redaktion
Änderung des NetzDG im Rechtsausschuss: . In: Legal Tribune Online, 07.05.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41536 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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