Vor drei Jahren gab VW zu, bei der Abgasreinigung manipuliert zu haben. Verbraucherschützer wollen nun stellvertretend für viele der betroffenen Dieselfahrer vor Gericht ziehen – mit der ersten Musterfeststellungklage.
Vom Dieselskandal betroffene VW-Käufer können sich ab November einer Musterfeststellungsklage gegen den Autobauer anschließen. Rund drei Jahre nach dem Bekanntwerden des Skandals um manipulierte Dieselmotoren kündigten der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC) am Mittwoch in Berlin an, erstmals die neue Klagemöglichkeit zu nutzen.
Das Ziel der Musterfeststellungsklage sei es, gerichtlich festzustellen, dass der Autobauer "mit Software-Manipulationen Käufer vorsätzlich sittenwidrig geschädigt" habe, so der vzbv in seiner Pressemitteilung. Verbraucher könnten dann von einem Vergleich mit VW profitieren oder ihren Anspruch auf Schadensersatz leichter verfolgen.
Beteiligen können sich demnach kostenlos alle, die ab dem November 2008 einen Diesel der Marken Volkswagen, Audi, Skoda oder Seat mit Motoren des Typs EA 189 gekauft haben, für die es einen Rückruf gab. Eine Vormerkung ist online auf der Homepage möglich, ab November ist dann der Eintrag in ein Klageregister erforderlich.
Es geht nur um den Pflichtrückruf von Volkswagen
Der vzbv will die Klage am 1. November am Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig einreichen - dann tritt das Gesetz in Kraft, das die neue "Einer-für-alle-Klage" ermöglicht. Der ADAC klagt nicht selbst, unterstützt den vzbv aber.
Im September 2015 hatte Volkswagen Manipulationen an Dieselmotoren einräumen müssen. US-Umweltbehörden hatten festgestellt und öffentlich gemacht, dass nur bei Tests die Abgasreinigung voll aktiviert war, während der Ausstoß auf der Straße viel höher lag.
Tausende VW-Fahrer haben bereits auf eigene Faust geklagt. Die Musterfeststellungsklage sei nun auch "für diejenigen interessant, die keine Rechtsschutzversicherung haben oder denen die bisherigen Möglichkeiten zu kompliziert waren", sagte vzbv-Vorstand Klaus Müller. Wer sich von November bis zum 31. Dezember anschließe, könne auch sicher sein, dass sein möglicher Anspruch nicht verjähre.
Volkswagen selbst sieht für Autokäufer wenig Erfolgschancen
Vom Pflichtrückruf bei Volkswagen sind 2,5 Millionen Autos betroffen. 99 Prozent der betroffenen Dieselfahrer hätten bisher noch nicht geklagt, sagte Müller. Die Anwälte, die die Verbraucherschützer vor Gericht vertreten werden, rechnen mit "mindestens mehreren Tausend" Interessenten. Auch wer seinen VW-Diesel inzwischen verkauft hat oder verschrotten ließ, sei nicht von der Klage ausgeschlossen. Mit einem Urteil des Braunschweiger OLG rechnen die Verbände für das Jahr 2020. Danach könnte der Fall am Bundesgerichtshof (BGH) landen.
Von Fahrverboten sind zwar auch andere Dieselfahrer betroffen - ihnen droht ebenfalls ein großer Wertverlust, wenn sie ihren Wagen verkaufen wollen. In der Musterfeststellungsklage geht es aber nur um den Pflichtrückruf von Volkswagen, denn nur hier droht eine Verjährung von Ansprüchen zum Jahresende.
Volkswagen sieht wenig Aussichten für die Klagen. "Das Instrument der Musterfeststellungsklage ändert nichts an unserer Position: Es gibt keine Rechtsgrundlage für kundenseitige Klagen im Zusammenhang mit der Diesel-Thematik in Deutschland", teilte der Autobauer mit. Schon heute blieben die Klagen von Kunden vor Landgerichten (LG) überwiegend erfolglos. Es gebe zudem zwölf Urteile von OLG, die im Sinne von Volkswagen beziehungsweise im Sinne der Händler ausgefallen seien.
Barley begrüßt Musterfeststellungsklage gegen Volkswagen
Dagegen sagte der Anwalt Ralf Stoll: "Ich denke, VW wird sich vor dieser Klage mit Sicherheit fürchten." Immer mehr Gerichte gäben den Geschädigten Recht. In manchen Fällen kommt es aber auch dazu, dass sich Konzern und Dieselkunden vor einer Gerichtsentscheidung per Vergleich auf eine Entschädigung einigen. Bei Einzelklagen mit Erfolgsaussicht habe VW versucht, Klägern Geld für ein Stillschweige-Abkommen zu bieten, sagte ADAC-Präsident August Markl. "Das wird in der Musterfeststellungsklage natürlich nicht gehen."
Volkswagen zufolge sind in Deutschland rund 23.800 Verfahren im Diesel-Skandal anhängig. Etwa 6.100 Urteile seien bisher ergangen. Bundesjustizministerin Katarina Barley begrüßte die Ankündigung der Verbände: "Verbraucherinnen und Verbraucher dürfen nicht die Dummen sein, wenn sich Unternehmen nicht rechtstreu verhalten."
Es handelt sich zwar um die erste Musterfeststellungsklage für Verbraucher. Aber es ist nicht die erste gegen VW. Am OLG Braunschweig läuft derzeit auch ein Musterverfahren der Aktionäre. Grundlage ist hier das sogenannte Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG), Musterklägerin ist die Sparkassen-Tochter Deka Investment. Die Schadenersatz-Forderung der Deka beläuft sich auf gut 200 Millionen Euro, insgesamt aber haben tausende Anleger geklagt - es geht um fast 9 Milliarden Euro.
dpa/mgö/LTO-Redaktion
vzbv will mit ADAC vor Gericht ziehen: . In: Legal Tribune Online, 12.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30891 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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