Ein behinderter Mensch hat keinen Anspruch darauf, dass er einen unbefristeten Schwerbehindertenausweis erhält. Das gilt auch dann, wenn der Grad der Behinderung unbefristet festgestellt wurde. So das LSG in einer Grundsatzentscheidung.
Ein Schwerbehindertenausweis gilt nicht auf Dauer – auch dann nicht, wenn der Grad der Behinderung unbefristet ist. Das entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in einer Grundsatzentscheidung (Urt. v. 18.02.2022, Az. L 8 SB 2527/21).
Das LSG hat sich mit der Klage einer Frau beschäftigt, die unter mehreren schwerwiegenden Erkrankungen leidet, darunter einem Herzklappenfehler, einer Depression und funktionellen Organbeschwerden. Außerdem ist sie nach einer Geschwulstbeseitigung an der rechten Brust erkrankt. Das beklagte Land Baden-Württemberg stellte zunächst den Grad der Behinderung (GdB) von 30 fest. Dagegen ging die Frau gerichtlich vor und die Beteiligten schlossen einen Vergleich, wonach die Frau seit Juni 2020 einen GdB von 60 aufweist. Das stellte das Land per Ausführungsbescheid dann auch so fest, wies aber zugleich auf die zu beachtende Heilungsbewährung, eine mögliche Nachuntersuchung und Neufeststellung bei Stabilisierung des Gesundheitszustandes hin. Der beigefügte Schwerbehindertenausweis war allerdings mit dem Aufdruck "gültig bis 1/2026" versehen.
Nur "soll", nicht "kann"
Dem gerichtlichen Vergleich sei jedoch keine Befristung zu entnehmen, wie die Frau per Widerspruch geltend machte. Voraussetzung für den Vergleichsschluss sei gewesen, dass sie den GdB von 60 unbefristet erhalte. Der Schwerbehindertenausweis sei daher auch unbefristet auszustellen. Ihr Widerspruch und die nachfolgende Klage blieben in erster Instanz erfolglos.
Auch die dagegen gerichtete Berufung wies das LSG Baden-Württemberg nun zurück. Das Land habe die in dem Vergleich getroffene Regelung vollständig umgesetzt und keine Befristung im Ausführungsbescheid vorgenommen – auch nicht durch die Ankündigung einer Nachuntersuchung. Dabei handele es sich nur um eine Mitteilung. Die Frau habe dennoch keinen Anspruch auf eine unbefristete Ausstellung des Schwerbehindertenausweises. Nach § 152 Abs. 5 S. 3 SGB IX "soll" die Gültigkeitsdauer befristet werden. In der Regel müsse der Ausweis also befristet werden und nur in atypischen Fällen nicht.
Ein atypischer Fall liege hier aber nicht vor, gesundheitliche Veränderungen der Verhältnisse seien möglich. Außerdem diene der Schwerbehindertenausweis dazu, die festgestellte Schwerbehinderung gegenüber Dritten nachzuweisen, er habe gerade keine konstitutive Bedeutung für die Schwerbehinderung selbst. Die Befristung bezwecke, dass zu gegebener Zeit geprüft werden kann, ob die im Ausweis dokumentierten Merkmale noch den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen.
pdi/LTO-Redaktion
LSG Baden-Württemberg: . In: Legal Tribune Online, 08.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47755 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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