Das Loveparade-Verfahren wurde 2020 ohne Urteil eingestellt. Das Verfahren stand unter enormen Zeitdruck, weil die Vorwürfe drohten zu verjähren. Nun fordert eine Kommission, dass die Verjährung in solchen Fällen gestoppt werden soll.
Enge Verjährungsfristen sollten aus Sicht einer Juristenkommission künftig nicht mehr die rechtliche Aufarbeitung komplexer Unglücksereignisse ausbremsen. Eine Verjährung sollte ausgeschlossen sein, sobald die Hauptverhandlung über solche Katastrophen begonnen hat, schlägt die Kommission vor, die die tödliche Loveparade-Katastrophe vom Juli 2010 in Duisburg aufgearbeitet hat. Ein Verfahrensabbruch mitten im Hauptverfahren sei mit dem Gerechtigkeitsgedanken unvereinbar und trage vor allem aus Sicht der Betroffenen nicht zum Rechtsfrieden bei, sagte der Kommissionsvorsitzende und Jurist Clemens Lückemann am Montag in Düsseldorf.
Gemeinsam mit NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) stellte der frühere Präsident des Oberlandesgerichts Bamberg den Abschlussbericht zu Lehren aus der Loveparade-Katastrophe vor. Bei der Technoparade waren vor zwölf Jahren 21 Menschen gestorben und mehr als 500 weitere verletzt worden.
Ein Strafverfahren gegen ursprünglich zehn Angeklagte war 2020 ohne Urteil eingestellt worden – kurz vor dem Eintritt der absoluten Verjährung des Vorwurfs der fahrlässigen Tötung. Der Prozess begann im Dezember 2017. Bereits im Februar 2019 war er gegen sieben frühere Mitangeklagte eingestellt worden. Die übrigen Angeklagten hatten einer Verfahrensbeendigung durch Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von etwa 10.000 Euro nicht zugestimmt.
Verjährungsausschluss bei Beginn der Hauptverhandlung gefordert
Aktuell wird die Verjährung gemäß § 78c StGB durch bestimmte strafprozessuale Handlungen der Ermittlungsbehörden oder des Gerichts unterbrochen. § 78c Abs. 3 StGB regelt, dass die Verfolgung jedoch spätestens verjährt, wenn die doppelte Zeitdauer der gesetzlich festgelegten Verjährungsfrist abgelaufen ist. Bei der fahrlässigen Tötung gem. § 222 StGB beträgt diese endgültige Verjährungsfrist zehn Jahre. Bis dahin muss ein erstinstanzliches Urteil ergangen sein.
In ihrem Abschlussbericht fordert die Kommission die gesetzliche Normierung eines Verjährungsausschlusses ab Beginn der Hauptverhandlung. Zudem sollte die Durchsetzung zivilrechtlicher Ersatzansprüche im Strafverfahren erleichtert werden, indem das Strafgericht von aufwändigen Ermittlungen - etwa zum Mitverschulden - entlastet wird, hieß es. Dazu soll im Strafverfahren nach österreichischem Vorbild lediglich ein Mindestbetrag ausgeurteilt werden.
Wenn in laufender Hauptverhandlung Verjährung drohe, würden Gerichte entweder zu "Scheinverhandlungen" oder "zu einer Überbeschleunigung im Sinne eines Hauruck-Verfahrens gezwungen", kritisierte Lückemann. Beides sei mit der Würde des Gerichts und der Rolle der Justiz als dritte Staatsgewalt unvereinbar.
Biesenbach kündigte an, die Vorschläge der Kommission bei der nächsten Justizministerkonferenz im Juni auf die Tagesordnung zu bringen.
dpa/acr/LTO-Redaktion
Rückschlüsse aus dem Loveparade-Verfahren: . In: Legal Tribune Online, 28.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47967 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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