Trauer um eine Ikone der deutschen Rechtspolitik: Lore Peschel-Gutzeit war Juristin und Politikerin. Sie regierte gleich in zwei Bundesländern mit und kämpfte beherzt für die Gleichstellung von Frauen. Am Samstag ist die Anwältin gestorben.
Die ehemalige Justizsenatorin in Hamburg und Berlin, Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit, ist tot. Die frühere SPD-Politikerin ist am vergangenen Samstag in Berlin gestorben, wie ein Sprecher der Berliner SPD unter Berufung auf die Anwaltskanzlei Peschel-Gutzeit, Fahrenbach & Breuer mitteilte. Sie wurde 90 Jahre alt. Zuvor hatte "Bild" berichtet.
Peschel-Gutzeit amtierte von 1991 bis 2001 als Justizsenatorin der beiden Stadtstaaten, zuerst in Hamburg, dann in Berlin und dann wieder in Hamburg. Zuvor arbeitete sie mehr als drei Jahrzehnte von 1960 bis 1991 als Familienrichterin in Hamburg, wo sie 1984 erste Senatspräsidentin am Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) wurde.
Die promovierte Juristin Peschel-Gutzeit galt als Expertin für Familien- und Kindschaftsrecht. Sie prägte auch ein Stück deutscher Rechtsgeschichte: Bereits 1968 trat die von ihr initiierte "Lex Peschel" in Kraft. Das Gesetz ermöglichte es Beamtinnen, aus familiären Gründen in Teilzeit zu arbeiten oder Familienurlaub zu nehmen, ohne aus ihrer Berufstätigkeit ausscheiden zu müssen.
"Entschlossene und unermüdliche Kämpferin für die Gleichberechtigung"
Die Landesvorsitzenden der Hamburger SPD, Melanie Leonhard und Nils Weiland, sprachen der Familie ihre Anteilnahme aus und betonten, "mit Lore Maria Peschel-Gutzeit verlieren wir eine bedeutende Juristin und unermüdliche Kämpferin für die Rechte der Frau". Als erste OLG-Senatspräsidentin und Hamburger Justizsenatorin habe sie weit über die Hansestadt hinaus gewirkt. "Vieles von dem, was sie gegen Widerstände durchgesetzt hat, ist heute selbstverständlich und nicht mehr wegzudenken, wie etwa das Recht auf Teilzeitarbeit und Familienurlaub."
Peschel-Gutzeit engagierte sich ab ihrer Zeit als Referendarin viele Jahre im Deutschen Juristinnenbund (djb), war von 1977 bis 1981 dessen Vorsitzende. Nach ihrer politischen Karriere arbeitete sie in Berlin als Anwältin. 2019 gründete sie die Kanzlei für Familien- und Erbrecht Peschel-Gutzeit, Fahrenbach & Breuer am Berliner Kurfürstendamm, wo sie bis zuletzt arbeitete.
Der djb würdigte seine Ehrenpräsidentin, die den Verein "stark geprägt" habe: "Ihre Worte und Taten halten wir in Ehren - wir trauern um unser langjähriges Ehrenmitglied und erinnern uns ihres Lebenswerkes in großer Dankbarkeit. Sie war eine entschlossene und unermüdliche Kämpferin für die Gleichberechtigung von Frauen. Ihre Verdienste für den djb und ihre Erfolge sind von unschätzbarem Wert." so Prof. Dr. Maria Wersig, Präsidentin des djb.
Auch Konflikt mit Erna Scheffler nicht gescheut
Peschel-Gutzeit setzte sich zeit ihres Lebens für die Gleichberechtigung von Mann und Frau ein. 2012 erschien ihr Buch Selbstverständlich gleichberechtigt, das sie als "autobiografische Zeitgeschichte" beschrieb.
Im Jahr 2020 erzählte sie in einem Interview mit dem "Deutschlandfunk", sie habe 1991 aus der Zeitung erfahren, dass sie in Hamburg Justizsenatorin im Senat des Ersten Bürgermeisters Henning Voscherau (SPD) werden solle. Mit ihr habe zuvor niemand darüber gesprochen. "So was macht man mit einem Mann nicht. Aber bei einer Frau sagte man sich, die wird es schon machen", so Peschel-Gutzeit. Sie machte es.
In diesem Interview schildert Peschel-Gutzeit auch einen Streit mit der ersten Richterin am Bundesverfassungsgericht, Erna Scheffler, im Zusammenhang mit der "Lex Peschel". Scheffler habe sie nach Karlsruhe gebeten und ihr mitgeteilt, sie halte das Vorhaben für verfassungswidrig. Vielmehr noch würde damit der Ast abgesägt werden, "auf dem wir alle, wir Frauen, sitzen", erzählt Peschel-Gutzeit über die Begegnung mit einer der "Mütter" des Grundgesetzes. Daraufhin habe sie Scheffler geantwortet, sie sei überzeugt, dass sie "viele, viele neue Frauen auf diese Äste befördere, wenn ich ihnen die Möglichkeit der Teilzeitarbeit gebe".
2016 bekam Peschel-Gutzeit vom Deutschen Anwaltverein DAV das Ehrenzeichen der deutschen Anwaltschaft verliehen. Es wird an Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte verliehen, die sich in besonderem Maße um die Anwaltschaft verdient gemacht haben. "Sie war ein Vorbild und hat sich bis zuletzt als Rechtsanwältin engagiert", schrieb der DAV auf dem Kurznachrichtendienst X.
dpa/jb/hs/LTO-Redaktion
Unermüdliche Kämpferin für Frauen- und Bürgerrechte: . In: Legal Tribune Online, 05.09.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52634 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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