"Die Vorwürfe treffen zu": Ver­fahren gegen Ofarim nach Geständnis ein­ge­s­tellt

28.11.2023

Im Prozess gegen Gil Ofarim gibt es eine überraschende Wende: Der Musiker legte am Dienstagmorgen ein Geständnis ab. Die Vorwürfe träfen zu, den betroffenen Hotelmanager bat er um Entschuldigung. Das Verfahren gegen ihn wurde eingestellt.

Das Verfahren gegen den jüdischen Musiker Gil Ofarim wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung wurde eingestellt (Beschl. v. 28.11.2023, Az. 6 KLs 607 Js 56883/21). Ofarim hatte am Dienstagmorgen überraschend ein Geständnis abgelegt: "Die Vorwürfe treffen zu", sagte der Musiker vor dem Landgericht (LG) Leipzig. Zu dem Hotelmanager, der als Nebenkläger auftrat, sagte er: "Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen. Es tut mir leid."

Ofarim hatte im Oktober 2021 in einem Video Antisemitismus-Vorwürfe gegen ein Leipziger Hotel erhoben. Das Video verbreitete sich stark in den sozialen Netzwerken. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft Leipzig hatte sich der Vorfall aber nicht so zugetragen. Nach umfangreichen Ermittlungen folgte eine Anklage gegen Ofarim. LTO berichtete dazu umfangreich über sämtliche Verhandlungstage.

Die Einstellung des Verfahrens erfolgte gemäß § 153a Strafprozessordnung (StPO) gegen die Zahlung von 10.000 Euro. Dabei kommt das Geld je zur Hälfte der Jüdischen Gemeinde zu Leipzig und dem Trägerverein des Hauses der Wannseekonferenz zugute, teilte das LG Leipzig mit. Das entsprechende Video, in dem er die Vorwürfe erhebt, habe er von seinen Social-Media-Kanälen nun gelöscht, sagte Ofarim am Dienstag vor Gericht.

Anschließend an den vergangenen fünften Verhandlungstag habe zwischen den Verfahrensbeteiligten ein Rechtsgespräch stattgefunden, ließ der Vorsitzende Richter verkünden. Darin habe die Kammer das Angebot der vorläufigen Einstellung gegen Geldauflage gemacht - "eine Art Deal", erklärte Verteidiger Dr. Alexander Stevens gegenüber LTO. Eine Verständigung habe laut der Zusammenfassung des Vorsitzenden jedoch ausdrücklich nicht stattgefunden.

Für Ofarim sei dies laut Stevens vor allem im Hinblick auf die noch ausstehende Verfahrensdauer und der damit einhergehenden Belastung eine günstige Option gewesen, weswegen ihm seine Verteidigung zur Annahme dieses Angebots geraten habe. "So hat er keinen juristischen Makel, erhält keine Eintragungen ins Führungszeugnis und formal gilt immer noch die Unschuldsvermutung", so Stevens. 

Ein ausführlicher Verhandlungsbericht über die Ereignisse vom Dienstag erscheint später auf LTO. Zu den Verhandlungsberichten der vorherigen Prozesstage geht es hier entlang.

Prozess-Chronologie im Überblick:

Tag 1 – Prozessauftakt: Hat Gil Ofarim einen antisemitischen Vorfall in einem Hotel nur erfunden? Sein Verteidiger philosophiert am ersten Prozesstag über die Wahrheit an sich, ein Hotelmitarbeiter spricht von Morddrohungen. 

Tag 2 – Davidstern sichtbar oder nicht? Eine Aussage lässt Gil Ofarim mit den Tränen kämpfen, das Gericht lehnt Vereidigung des Hotelmanagers mangels "Zünglein an der Waage ab" und hat Ofarim "gepöbelt"?

Tag 3 – Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen erschüttert? Hitzige Stimmung kommt auf, ein Zeuge verharmloste den Holocaust und der Vorsitzende Richter gibt zur Vermeidung von Verhandlungspausen Ratschläge gegen Rückenschmerzen.

Tag 4 – Davidstern für Gutachter in Lobby nicht sichtbar: Videos von zweifelhafter Qualität werden betrachtet, Ofarims Verteidiger wittern einen Manipulationsverdacht und geraten mit dem Vorsitzenden aneinander. Ein Gutachter spricht über eine zentrale Prozessfrage.

Tag 5 – Holte Ofarim die Davids­tern-Kette erst für sein Insta-Video raus? Wohlfühlprogramm für Ofarim als Mann "alter Schule", hat der Richter wirklich Ofarims Autobiographie gelesen und warum sein Verteidiger nicht? Auch zu einer entscheidenden Prozessfrage wird verhandelt und zwar heftig. 

dpa/jb/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

"Die Vorwürfe treffen zu": . In: Legal Tribune Online, 28.11.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53278 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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