Am Donnerstag haben die Kölner Richter ihre umstrittene Entscheidung verteidigt, dass die Westdeutsche Lotterie keine Sportwetten an Hartz-IV-Empfänger verkaufen darf. Allerdings müssten die Lottoannahmestellen nicht prüfen, welche ihrer Kunden Hartz-IV-Empfänger seien, so das Gericht unter Berufung auf ein "Missverständnis".
Schon im März hatte das Landgericht (LG) Westlotto auferlegt, keine Spiel- oder Wettscheine und Rubbellose an Personen zu verkaufen, "die Spieleinsätze riskieren, die in keinem Verhältnis zu ihrem Einkommen sind".
Die im einstweiligen Rechtsschutz ohne Begründung in einem Rechtsstreit zwischen einem privaten Sportwettenanbieter, der seinen Sitz auf Malta haben soll und der Westdeutsche Lotterie GmbH mit Sitz in Münster ergangene Entscheidung der Kölner Richter hatte bundesweit für Aufsehen und Unverständnis gesorgt, da die Umsetzung einer solchen Vorgabe faktisch nicht möglich sei.
LG Köln: Sportwettenverbot nur bei konkreten Hinweisen
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hielt die Kammer an ihrer Auffassung grundsätzlich fest. Der Vorsitzende Richter Bernd Paltzer bezeichnete es aber nun als ein "Missverständnis", zu glauben, dass Lottoannahmestellen nun prüfen müssten, welche ihrer Kunden Hartz-IV-Empfänger seien. Es gehe einzig und allein um die Frage, ob Sportwetten auch dann verkauft werden dürften, wenn die Mitarbeiter der Annahmestellen ganz konkrete Hinweise darauf hätten, dass sich der Kunde seine Wette eigentlich nicht leisten könne.
In dem konkreten Fall hatte ein Konkurrent von Westlotto, der Sportwetten-Anbieter Tipico, zwei Leute zu Testkäufen in verschiedene Lottoannahmestellen geschickt. Unmittelbar vor dem Verkäufer hatte dann der eine gesagt: "Geht das überhaupt, dass du hier schon wieder 50 Euro setzen kannst, du bist doch pleite und bekommst Hartz IV?" Darauf kam die Antwort: "Ach, ich hab das Geld jetzt und demnächst vielleicht noch mehr... So kann man doch nicht leben!"
In einem solchen Fall mache es sich der Verkäufer in einer Annahmestelle zu einfach, wenn er einfach weghöre oder das Gespräch nicht ernst nehme, sagte Richter Paltzer. Denn der seit 2008 geltende Glücksspielstaatsvertrag schreibe vor, dass Personen vor Glücksspielen geschützt werden müssten, deren Einsätze in keinem vernünftigen Verhältnis zu ihrem Einkommen stünden.
Westlotto-Anwälte: Vom Gesetz nicht gewollt, praktisch nicht zu leisten
Klägeranwalt Ronald Reichert schloss sich dem an: Die Situation bei den
Testkäufen sei so eindeutig gewesen, wie man es sich nur vorstellen
könne. Wann, wenn nicht hier, solle das Personal denn die Pflicht
haben, einen Beitrag zur Bekämpfung der Spielsucht zu leisten, fragte
Reichert.
Die Prozessvertreter von Westlotto kritisierten die ergangene einstweilige Verfügung scharf. Martin Hecker monierte, dass ohne jegliche
Rechtsgrundlage in das Persönlichkeitsrecht der
Hartz-IV-Empfänger eingegriffen werde, Markus Ruttig bezeichnete die Testkäufe von Tipico als "Komödientheater".
Gegenüber LTO äußerte der Kölner Anwalt weiter, es gebe auch keine gesetzliche Grundlage dafür, Hartz-IV-Empfänger von der Teilnahme auszuschließen. "Die Auffassung des LG überzieht die Rechtspflichten. Eine solche Rechtsfolge ist gesetzgeberisch nicht gewollt und praktisch nicht zu leisten".
Der Verkündungstermin findet voraussichtlich am 5. Mai statt.
dpa/pl/LTO-Redaktion
Mehr auf LTO.de:
Glücksspielstaatsvertrag: Länder planen Sportwetten-Lizenz für Privatanbieter
Sportwetten: Unverständnis über Hartz-IV-Entscheidung des LG Köln
LG Köln: Kein Lotto für Hartz-IV-Empfänger
LG Köln: . In: Legal Tribune Online, 07.04.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2979 (abgerufen am: 20.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag