Das LG Hamburg hatte weite Teile von Böhmermanns Schmähgedicht verboten. Nun hat das Gericht die Begründung dafür vorgelegt. Es handele sich zwar "zweifelsohne um Satire" – diese dürfe aber doch nicht alles.
Das Landgericht (LG) Hamburg hat am Freitag die schriftliche Begründung für die einstweilige Verfügung gegen Satiriker Jan Böhmermann und sein Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan vorgelegt. Das Gericht hatte weite Teile des Gedichts vergangenen Monat verboten. Böhmermann hatte das Gedicht am 31. März in seiner Sendung Neo Magazin Royale vorgetragen.
Zwar handele es sich bei dem Gedicht zweifelsohne um Satire und in Verbindung mit dem Kontext, der musikalischen Untermalung und der Gespräche mit Böhmermanns Sidekick Ralf Kabelka auch um Kunst. Diese finde ihre Grenze aber da, wo es sich um reine Schmähung oder Formalbeleidigung handele bzw. die Menschenwürde angetastet werde, so die Begründung.
Der Aussagegehalt an sich sei dabei für Erdogan nicht so verletzend, dass aufgrund dessen ein Unterlassungsanspruch begründet wäre. Es sei fernliegend, dass der Rezipient annehme, das Gedicht weise einen Wahrheitsgehalt auf. Hinzu käme, dass sich Erdogan als türkischer Staatspräsident auch stärkere Kritik gefallen lassen müsse. Die Einkleidung des Gedichts führe allerdings zur Bejahung des Unterlassungsanspruches.
Besonders schlimm: "Schweinefurz"
Die untersagten Zeilen seien laut Begründung zweifelsohne schmähend und ehrverletzend. Sie griffen gerade gegenüber Türken oftmals bestehende rassistische Vorurteile auf. Als besonders erschwerend sah das LG die Erwähnung des "Schweinefurzes" an, da das Schwein im Islam als "unreines Tier" gelte. Des Weiteren hätten nahezu sämtliche Zeilen einen sexuellen Bezug, die über das von Erdogan hinzunehmende Maß überschreiten.
Mit den nicht verbotenen Zeilen "Er ist der Mann, der Mädchen schlägt und dabei Gummimasken trägt" sowie "[am liebsten mag er] Minderheiten unterdrücken, …, Kurden treten, Christen hauen" und "Sackdoof, feige und verklemmt, ist Erdogan, der Präsident" werde dagegen in zulässiger Weise harsche kritik an der Politik Erdogans geäußert. Dies seien keine Herabwürdigungen der Person, sondern Vorgänge, von deren Realität prozessual auszugehen sei.
Diese würden im wesentlichen im Beitrag von extra 3, auf den Böhmermann mit dem Gedicht Bezug nimmt, gezeigt, nämlich unter anderem das Schlagen von demonstrierenden Frauen am "Weltfrauentag" durch Helm und Schutzkleidung tragende Polizisten, das gewalttätige Vorgehen gegen andere Demonstranten, die mit der Politik Erdogans nicht einverstanden sind, sowie gegen Minderheiten wie Kurden.
Böhmermanns Anwalt Christian Scherz hatte bereits angekündigt, gegen die Entscheidung des Landgerichts vorgehen zu wollen. Es sei unter anderem nicht berücksichtigt worden, dass Böhmermann erklärt habe, das Gedicht sei für sich betrachtet eine Schmähung und nicht erlaubt.
acr/LTO-Redaktion
Begründung für einstweilige Verfügung vorgelegt: . In: Legal Tribune Online, 17.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19709 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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