LG Hamburg zum Äußerungsrecht: Thomas Spitzer durfte Luke Mockridge "scheiße" nennen

"Scheiße" werde umgangssprachlich häufig eher "salopp" verwendet und sei keine Schmähkritik. Das hat das LG Hamburg zu einem Tweet des Comedians Thomas Spitzer über den Künstler Luke Mockridge entschieden.

Der Comedian Thomas Spitzer durfte den Schauspieler und Musiker Luke Mockridge in einem Tweet "scheiße" nennen. Das Landgericht (LG) Hamburg lehnte einen von Mockridge dagegen gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung erstinstanzlich ab (Beschl. v. 11.07.2022, Az. 324 O 263/22). Der Beschluss des LG liegt LTO vor.

Die streitgegenständliche Aussage von Spitzer auf Twitter über Mockridge in einem Tweet vom 26. Mai dieses Jahres lautete: "Die Frage nach der Trennung zwischen Werk und Künstler stellt sich nicht, wenn beides scheiße ist". Hintergrund der Äußerung war ein Auftritt Mockridges in Berlin, bei dem er nach Angaben Spitzers von einer jungen Frau konfrontiert wurde. Die Konfrontation stand mit den Vorwürfen gegen Mockridge in Zusammenhang, die mit der Anzeige seiner Ex-Freundin gegen Mockridge einhergehen. Das Verfahren gegen Mockridge ist mangels hinreichenden Tatverdachts inzwischen eingestellt worden.

Gegen die Äußerung Spitzers beantragte Mockridge vor dem LG den Erlass einer einstweiligen Verfügung – erfolglos. Das LG führt aus, dass Mockridge zwar in seiner Rolle als Künstler und dessen Werk in abwertender Weise kritisiert werde, es läge aber keine Fallkonstellation einer in jedem Falle unzulässigen Schmähkritik oder Formalbeleidigung vor. Um eine Schmähkritik handele es sich nur dann, wenn die Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person geht. Eine Formalbeleidigung sei nur dann gegeben, wenn eine kontextunabhängig gesellschaftlich absolut missbilligte und tabuisierte Begrifflichkeit verwendet werde. 

Bezeichnung "scheiße" nach Meinung des LG kein Tabu

Beides sei im Hinblick auf die Spitzers Äußerung zu verneinen. Denn diese finde sich am Ende eines längeren Tweets, der sich mit einem Auftritt von Mockridge sowie mit gegen diesen erhobenen Vorwürfen auseinandersetze, womit ein Sachzusammenhang der Äußerung vorliege. Außerdem sei das Adjektiv "scheiße" auch nicht derart tabuisiert und werde in der Umgangssprache häufig zur Äußerung einer saloppen Abwertung verwendet.

Nachdem das LG sowohl weder eine unzulässige Schmähkritik noch eine Formalbeleidigung angenommen hat, nimmt es in eine kurze Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht von Mockridge und der Meinungsfreiheit von Spitzer vor. Für die höhere Gewichtung der Meinungsfreiheit Spitzers spreche, dass die Äußerung im Rahmen einer ernsthaften Auseinandersetzung gefallen sei. Das Persönlichkeitsrecht von Mockridge sei demgegenüber nur geringfügig beeinträchtigt, weil sich die Äußerung auf den Künstler Mockridge beziehe und eben nicht auf dessen Person.

Mockridge-Anwalt: Beschluss leistet Verrohung im Internet Vorschub

Auf Anfrage von LTO kritisierte Modriges Rechtsanwalt Simon Bergmann (Schertz Bergmann Rechtsanwälte) die Entscheidung. Er hält diese insbesondere vor dem Hintergrund der Künast-Entscheidung des BVerfG für falsch. Die Aussage sei eine Formalbeleidung, die einer Abwägung nicht offenstehe. Im Übrigen sei gar kein schützenswertes Interesse zu erkennen, jemanden als "scheiße" zu bezeichnen. Es sei bedauerlich, dass die Instanzgerichte weiterhin derartige Schmähungen für zulässig erachteten und so der Verrohung insbesondere im Netz weiter Vorschub leisteten.

Bergmann wagt die Prognose, dass die Entscheidung eines Gerichts anders ausfiele, würde man Urteil und Richter gleichermaßen bezeichnen wie seinen Mandanten und sein Werk im Streitfall. Er hält sich offen, Beschwerde gegen den Beschluss des LG einzulegen.

Spitzer-Anwalt: Titulierung einer Person als "scheiße" von Meinungsfreiheit gedeckt

Spitzers Rechtsanwalt Dr. Marc-Oliver Srocke (Advant Beiten Rechtsanwälte) begrüßte die Entscheidung. Spitzer habe sich in seinem Tweet sachlich-kritisch zu Mockridges Umgang mit Aktivistinnen geäußert und am Ende eine überspitzt-pointierte Bewertung abgegeben. "Natürlich darf er ihn scheiße finden und das auch sagen. Das Ganze nennt sich Meinungsfreiheit", so Srocke. Das BVerfG habe oft genug betont, welch große Freiräume für entsprechende Bewertungen bei Anbindung an eine Sachdiskussion bestünden."

Das LG hat vorliegend - wie stets im Äußerungsrecht - nur über die Zulässigkeit der Aussage im Kontext des konkreten Einzelfalls entschieden. Dem Beschluss ist nicht zu entnehmen, dass Mockridge allgemeingültig entsprechend bezeichnet werden darf.

Beteiligte Kanzleien

Zitiervorschlag

LG Hamburg zum Äußerungsrecht: . In: Legal Tribune Online, 12.07.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49027 (abgerufen am: 02.11.2024 )

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