Ein aufgebrachter mutmaßlicher "Reichsbürger", Zoff unter Anwälten und Unverständnis unter den Zuschauern. Am Landgericht Halle geht es heiß her.
Im sogenannten "Reichsbürger"-Prozess gegen den früheren "Mister Germany" Adrian Ursache hat das Landgericht (LG) Halle auf dessen Störungsversuche reagiert und die Reißleine gezogen: "Es wird ohne den Angeklagten weiterverhandelt", sagte der Vorsitzende Richter Jan Stengel am Donnerstag. Die Anwesenheit des 42-Jährigen hindere das Gericht an der Beweisaufnahme. Der Angeklagte wurde aus dem Saal geführt. Er hatte zuvor zum wiederholten Mal einen Befangenheitsantrag gestellt. Das Gericht sei unehrlich und voller Lüge, schimpfte der Angeklagte.
Über einen Anwalt, der überraschend im Saal auftauchte, forderte Ursache zudem die Entlassung eines seiner beiden Pflichtverteidiger. Das Vertrauensverhältnis zu dem Juristen sei endgültig erschüttert. Beide Pflichtverteidiger wiesen die Vorwürfe zurück. Sie betonten, dass es sich nicht um ein politisches Verfahren handele, sondern um ein Strafverfahren. "Wir unterstützen keine politische Meinung. Wir konzentrieren uns auf das Tatgeschehen. Wir wollen dem Angeklagten helfen, dass die Wahrheit in diesem Gerichtssaal ans Licht kommt", erklärten die Pflichtverteidiger.
Ursache ist wegen versuchten Mordes, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie Verstoßes gegen das Waffengesetz angeklagt. Er soll bei einem Polizeieinsatz am 25. August 2016 in Reuden (Burgenlandkreis) gezielt auf den Kopf eines SEK-Beamten geschossen und ihn verletzt haben. Ursache bestreitet das. Er wurde bei dem damaligen Polizeieinsatz laut Verteidigung lebensgefährlich verletzt. Das SEK war zum Schutz von Gerichtsvollziehern angefordert worden. Das Hausgrundstück von Ursache sollte seinerzeit wegen Überschuldung zwangsweise geräumt werden.
Angeklagter verlangt "nur die Einhaltung der verfassungsmäßigen Rechte"
Der Angeklagte hatte seit Beginn des Prozesses am 9. Oktober mehrfach Befangenheitsanträge gegen die Richter gestellt. Die Anträge wurden als unbegründet und unzulässig abgelehnt. Der 42-Jährige stellte dabei immer wieder die Rechtmäßigkeit und Zuständigkeit des Gerichts in Frage. Er zitierte lang und breit aus dem Grundgesetz, dem Strafgesetzbuch und verwies auch auf die Bibel.
Die Staatsanwaltschaft rechnet Ursache laut Anklageschrift der Reichsbürgerbewegung zu. Diese erkennt die Bundesrepublik und deren Gesetze nicht an. "Reichsbürger" werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Ursache bestreitet, der Bewegung anzugehören.
"Ich verlange nur die Einhaltung der verfassungsmäßigen Rechte", sagte der 42-Jährige. Die Stimmung im Gerichtssaal wurde am Donnerstag zunehmend angespannter. Zuschauer äußerten ihren Unmut über das Verfahren. Mutter und Ehefrau des Angeklagten sprachen beruhigend auf ihn ein.
Im Gebäude herrschten verschärfte Sicherheitsvorkehrungen. Neun mit Sturmhauben maskierte, schwarz gekleidete und bewaffnete Justizbeamte standen in dem kleinen Gerichtssaal, drei von ihnen stets vor dem Angeklagten. Der Prozess soll am Freitag fortgesetzt werden. Unklar ist, ob dann die ursprünglich für Donnerstag geladenen Zeugen und ein Gutachter gehört werden.
dpa/acr/LTO-Redaktion
Eklat im Reichsbürger-Prozess gegen Ex-"Mister Germany": . In: Legal Tribune Online, 19.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25133 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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