Als Empfänger von Todesdrohungen von "NSU 2.0" sagte Moderator Jan Böhmermann als Zeuge vor Gericht aus. Die Arbeit der Ermittler kommt dabei nicht gut weg. Den Strafverfolgungsbehörden fehle es an analytischen Fähigkeiten.
Ernster Auftritt des Satirikers Jan Böhmermann: Der 41-Jährige berichtete am Montag im Frankfurter Prozess um die "NSU 2.0"-Drohschreiben von Mails, in denen er als "Volksschädling" bezeichnet wurde und die angebliche Todesurteile gegen ihn enthielten. Dabei kritisierte Böhmermann die Arbeit der Justiz. Es sei zwar schön, dass ein Angeklagter ermittelt sei und nun vor Gericht stehe. Doch interessanter und produktiver wäre es, gegen die Strukturen im Hintergrund vorzugehen.
In dem Verfahren wirft die Staatsanwaltschaft einem 54-Jährigen Mann aus Berlin unter anderem Beleidigung in 67 Fällen, versuchte Nötigung und Bedrohung vor. Die Serie der Drohschreiben hatte im August 2018 mit Todesdrohungen gegen die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız und ihre Familie begonnen. Die Schreiben waren mit "NSU 2.0" unterzeichnet - in Anspielung auf die rechtsextreme Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU).
Auch ZDF-Moderatorin Maybritt Illner wurde per Mail mit dem Tod bedroht - dazu sagte sie ebenfalls als Zeugin aus. Zwar habe sie schon zuvor Drohschreiben erhalten, doch dieses habe eine neue Qualität gehabt und sei besonders widerlich formuliert gewesen, sagte die 57-Jährige. Vergangene Woche hatten auch Moderator Christian Ehring und der Journalist Deniz Yücel als Adressaten derartiger Mails ausgesagt. Yücel hatte die Ermittlungsarbeit ebenfalls kritisiert.
Angeklagter "kein ganz großer Fisch"
Böhmermann legte weitere Drohmails vor, die denen, die dem Angeklagten zugeschrieben werden, in Sprache und Inhalt ähnelten. Solche Drohungen kämen von Menschen, die sich im Internet anonym zu temporären Netzwerken zusammenschlössen und gemeinsam Daten sammelten, um diese für Drohungen zu verwenden. "Das ist ja nicht ein einzelner Mensch, der das macht", sagte der 41-Jährige. Den Tätern gehe es darum, öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen und nach innen Respekt zu gewinnen. Die Strafverfolgungsbehörden hätten nicht die analytischen Fähigkeiten, die Strukturen aufzudecken. Er hoffe, dass sich das ändert.
Der Angeklagte sei nach seiner Einschätzung kein ganz großer Fisch, "sonst säße er nicht hier", sagte Böhmermann. Er selbst habe sich unter anderem in einer Fernsehsendung im Jahr 2018 mit dem Thema auseinandergesetzt, für die sein Team aufwendig recherchiert habe.
Der Angeklagte hat in dem Prozess bestritten, die Schreiben verfasst zu haben. Er war am im Mai 2021 von Spezialkräften in seiner Berliner Wohnung festgenommen worden, wie der stellvertretende Ermittlungsführer aussagte. Auf die Spur des mutmaßlichen Verfassers der Droh-Serie kam die Polizei unter anderem durch Kommentare auf einer Plattform für Online-Schach, die nach Überzeugung der Ermittler sprachliche Ähnlichkeiten mit den Mails enthielten.
Die Serie der Drohmails endete mit der Festnahme, sagte der Beamte des hessischen Landeskriminalamts aus. Wie genau Polizeidaten über die Empfänger an den Verfasser der Drohungen kamen, dazu konnte der Kriminalhauptkommissar keine konkreten Ergebnisse mitteilen.
dpa/acr/LTO-Redaktion
Zeugenaussage vor dem LG Frankfurt am Main: . In: Legal Tribune Online, 28.03.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47970 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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