Das LG Ellwangen hat die Schadensersatzklage einer VW-Kundin abgewiesen. Eine Manipulation der Abgaswerte sei kein sittenwidriges Verhalten. Die Kundin hatte versucht, den Konzern selbst über das Deliktsrecht haftbar zu machen.
Das Landgericht (LG) Ellwangen hat die Klage auf Schadensersatz einer VW-Kundin gegen die Volkswagen AG abgewiesen. Sie hatte rund 11.500 Euro Schadensersatz Zug um Zug gegen Übereignung ihres VW Polo geltend gemacht (Urt. v. 10.06.2016, Az. 5 O 385/15).
Die Frau erwarb das Auto als Gebrauchtwagen im März 2014 bei einem VW-Vertragshändler für 12.600 Euro. Sie war der Auffassung, die Volkswagen-AG hafte gemäß § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Sie und der Vertragshändler seien beim Kaufvertragsschluss über wesentliche Umstände arglistig getäuscht worden. Die Software des Motors sei eine unzulässige Abschalteinrichtung gemäß der EU-Verordnung 715/2007. Der heimliche Einsatz dieser Einrichtung zur Absatzförderung sei sittenwidrig. Insbesondere das über den Schutz der Gesundheit gestellte Gewinnstreben des Konzerns verstoße gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden.
Das Gericht sah das anders: Der Frau stehe kein Zahlungsanspruch zu, da das – vom Gericht unterstellte – Vorliegen einer unerlaubten Abschalteinrichtung und deren Verschweigen gegenüber den Käufern kein sittenwidriges Verhalten darstelle. Zwar könne es als gegeben unterstellt werden, dass es dem Konzern beim Einbau der Schummelsoftware primär um Kostenersparnis respektive Gewinnmaximierung gegangen sei. Dies stelle aber in einem marktwirtschaftlichen System grundsätzlich kein zu beanstandendes Verhalten dar.
Normen kein Ausdruck sittlicher Gesinnung
Die für diesen Zweck eingesetzte Software wäre zwar rechtlich zu beanstanden, da ein Verstoß gegen Art. 3 Nr. 10, 5 Abs. 2 EU-VO 715/2007 vorliegen würde. Diese Vorschriften seien aber kein Ausdruck einer sittlichen Gesinnung, sondern Regelungen zum Schutz der Umwelt.
Eine sittliche Wertung sei mit den von den Vorschriften bezweckten Zielen, der Reduzierung von Schadstoffemissionen und geringerer Umweltbelastung, nicht verbunden. Der Einbau der Software habe nach Auffassung des Gerichts nur geringfügige Auswirkungen, da die Abschalteinrichtung lediglich unter Laborbedingungen zum Einsatz komme und bei der Benutzung des Fahrzeugs im Alltag nicht aktiviert werde.
Darüber hinaus würde die Annahme der Sittenwidrigkeit des Verhaltens der Volkswagen AG auch die vertragliche Risikozuweisung unterlaufen. Eine Direkthaftung der AG würde die Notwendigkeit der Geltendmachung bestehenden Ansprüche gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner vollständig außer Kraft setzen, ohne das hierfür ein sachlicher Grund ersichtlich sei.
"Soweit ersichtlich hat sich damit erstmals ein deutsches Gericht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Volkswagen AG von dem Käufern eines vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung direkt auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann", sagt Gregor Strempel, Vertreter der Klägerin. In früheren veröffentlichten Urteilen zum Abgasskandal sei es um Klagen gegenüber den Händlern bzw. Verkäufern gegangen. Der Anwalt hat vor, gegen das Urteil Berufung einzulegen.
acr/LTO-Redaktion
LG Ellwangen zu Abgasskandal: . In: Legal Tribune Online, 21.06.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19720 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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