Nach langer Verzögerung sollte ein Prozess gegen Martin Winterkorn dessen Rolle in der Dieselaffäre beleuchten. Nach wenigen Verhandlungstagen ist wieder Schluss, Fortsetzung frühestens Anfang 2025.
Am 3. September begann der Strafprozess gegen den früheren VW-Konzernchef Martin Winterkorn vor dem Landgericht (LG) Braunschweig (Az. 16 KLs 411 Js 23888/16 (75/19)). Es geht vor der Wirtschaftsstrafkammer um Winterkorns Rolle in der Dieselaffäre. Schon nach wenigen Verhandlungstagen liegt der Prozess vorerst auf Eis und muss von vorne beginnen: Nach einem Unfall des 77-Jährigen wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und alle anberaumten Fortsetzungstermine werden aufgehoben, wie das Gericht mitteilte.
Nach Gerichtsangaben verletzte sich Winterkorn so schwer, dass er in ein Krankenhaus musste. Am 23. September war der Prozess wegen der Verletzung von Winterkorn deshalb bereits verschoben und anschließend ein medizinisches Gutachten in Auftrag gegeben worden. Dieses habe nun ergeben, dass Winterkorn "mindestens in den nächsten Monaten nicht in der Lage sein wird, an Gerichtsverhandlungen teilzunehmen", teilte das Gericht mit. Damit könne die Verhandlung nicht innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Unterbrechungsfrist von drei Wochen (§ 229 Abs. 1 Strafprozessordnung, StPO) fortgesetzt werden.
Rechtsfolge ist gemäß § 229 Abs. 4 StPO, dass die Hauptverhandlung von vorne beginnen muss. Insbesondere die Anklageverlesung, die am ersten Prozesstag mehr als drei Stunden gedauert hatte, muss wiederholt werden. Formal ist nur die Hauptverhandlung ausgesetzt, das Hauptverfahren läuft unter dem selben Aktenzeichen und mit Zuständigkeit derselben Kammer weiter. Wann das der Fall sein wird, ist noch unklar. "Die Kammer prüft nun eine Neuansetzung der Hauptverhandlung für das 1. Quartal 2025", hieß es in der Mitteilung des LG vom Dienstag.
Einzelheiten zu dem Unfall im häuslichen Umfeld und dem aktuellen Gesundheitszustand Winterkorns sind nicht bekannt. Die Bild-Zeitung berichtet unter Berufung auf Winterkorns "nächstes Umfeld", er sei in der Dusche ausgerutscht und habe sich den rechten Oberschenkel gebrochen.
Worum es bei dem Prozess geht
Winterkorn, der von 2007 bis zum Bekanntwerden der Abgasmanipulationen im September 2015 Vorstandschef von VW war, werden in dem Verfahren verschiedene Delikte zur Last gelegt. Gemeinsam ist den Taten der Vorwurf, Winterkorn habe schon deutlich früher als im September 2015 von den Manipulationen gewusst.
Winterkorn soll VW-Käufer über die Beschaffenheit der Autos getäuscht und in den entscheidenden Septembertagen 2015 den Kapitalmarkt vorsätzlich nicht rechtzeitig über Risiken durch Strafzahlungen informiert haben. 2017 soll er vor einem Untersuchungsausschuss des Bundestags falsch dazu ausgesagt haben. Die Anklage sieht darin einen gewerbs- und bandenmäßigen Betrug gegenüber Autokäufern, eine Täuschung der Kapitalanleger wegen verzögerter Ad-hoc-Mitteilung (Marktmanipulation) und eine uneidliche Falschaussage.
Dabei hatte der frühere Vorstandschef jegliche Verantwortung für die Dieselaffäre bestritten. "Unser Mandant weist die gegen ihn erhobenen Vorwürfe entschieden zurück. Wir sind zuversichtlich, dass wir zu einem guten Ergebnis für unseren Mandanten gelangen werden", teilte sein Verteidiger Felix Dörr mit.
Eigentlich sollte Winterkorn schon im ersten großen Betrugsprozess in Braunschweig mit vier anderen Ex-VW-Managern sowie -Ingenieuren auf der Anklagebank sitzen. Kurz vor dem Start dieses Verfahrens im Jahr 2021 wurde sein Komplex aber aus gesundheitlichen Gründen abgetrennt und sollte nun nachgeholt werden. Für den Strafprozess waren 89 Termine bis September 2025 angesetzt. Mindestens der Zeitrahmen wird sich nun verschieben.
mk/dpa/LTO-Redaktion
Nach "Unfall im häuslichen Umfeld": . In: Legal Tribune Online, 01.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55542 (abgerufen am: 22.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag