Auf "abfindungsheld.de" versprach man seinen Kunden, ihre Ansprüche gegen den früheren Arbeitgeber zu prüfen und auch durchzusetzen. Die Anwaltschaft reagierte wenig erfreut und errang vor dem LG Bielefeld einen Sieg.
Wenn es um das eigene Geschäftsmodell geht, sind Rechtsanwälte naturgemäß skeptisch gegenüber neuen Anbietern. Und auch der Gesetzgeber wollte ihnen die Aufgabe, Mandanten in rechtlichen Angelegenheiten zu beraten, mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) weitgehend vorbehalten. Nichtsdestotrotz entwickeln sich immer neue Rechtsdienstleistungsportale und -tools, die Verbrauchern den Weg in die Kanzlei ersparen sollen.
Eines davon ist abfindungsheld.de, eine Website des Unternehmens Legal Hero GmbH. Wenngleich der Name Heldenhaftes verspricht, so zeigte sich die etablierte Konkurrenz doch wenig begeistert. Der Anwaltverein Bielefeld errang vor dem Landgericht (LG) Bielefeld einen (vorläufigen) Sieg: Das Gericht untersagte dem Unternehmen eine Reihe von Werbeslogans, in denen sie anpriesen, die Ansprüche von gekündigten Arbeitnehmern durchzusetzen (Beschl. v. 01.08.2017, Az.: 15 O 67/17).
"Wir setzen Ihr Recht durch - Wenn Sie uns beauftragen, holen unsere Rechtsexperten Ihnen Ihre Abfindung. Wir ziehen bis vor Gericht, ohne dass Ihnen Kosten entstehen. Sie können sich zurücklehnen und entspannen" warb man auf der Internetseite um die Gunst von gekündigten Arbeitnehmern. "Durch die Eingabe weniger Details" könne man dort prüfen lassen, ob und in welcher Höhe Ansprüche bestünden und sogar automatisch eine "individuelle Kündigungsklage" erstellen lassen.
LG: Verbraucher wird in die Irre geführt
Des Weiteren warb man mit der Übernahme des gesamten Prozesskostenrisikos und damit, "günstiger als jeder Anwalt" zu sein: 25 Prozent der ggf. erzielten Abfindung behalte man ein, um sich wirtschaftlich tragen zu können. Die Versprechungen unterstrichen auch noch auf der Website veröffentlichte Kundenbewertungen wie diese: "Super Abwicklung - einfache Abwicklung dank meiner Rechtsschutzversicherung. Sogar die Selbstbeteiligung wurde übernommen. Klasse!"
Die Bielefelder Kammer für Handelssachen hatte für diese Art der Werbung wenig übrig und untersagte auf einen Antrag auf einstweilige Verfügungdes seitens des lokalen Anwaltvereins hin gleich mehrere Slogans auf der Website, darunter die oben erwähnten. Sie seien irreführend i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und damit geeignet, den Verbraucher in unlauterer Weise zu beeinflussen, befanden die Richter in ihrem Beschluss, der LTO vorliegt.
Es werde der Eindruck erweckt, die Online-Plattform "biete eine komplette Abwicklung der außergerichtlichen und gerichtlichen Durchsetzung eines Abfindungsanspruches aus einem gekündigten Arbeitsverhältnis an", was allerdings nicht den Tatsachen entspreche, so das Gericht.
Denn tatsächlich macht nicht das Unternehmen eigentliche Arbeit oder irgendein Algorithmus, sondern immer noch Anwälte. Die rechtliche Prüfung der Kündigungsschutzansprüche werde gerade nicht durch Mitarbeiter des Unternehmens vorgenommen, so die Kammer, sondern durch Partneranwälte. Diese seien nicht - wie suggeriert werde - bloße Boten zur Einreichung der Klage, sondern formulierten diese auch selbst. Die Leistung der Website beschränke sich bloß auf eine Vorabprüfung der Erfolgsaussichten einer Klage und die Vermittlung eines Partneranwalts, was sich aber erst aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ergebe.
Fingierte Kundenbewertung
Dass die Frage, wer letztlich wirklich die rechtliche Dienstleistung erbringe, durchaus von Relevanz ist, unterstrich die Kammer sodann: Für den Verbraucher sei bei einer solchen Unklarheit über den Leistungsumfang des Vertragspartners nur schwer prüfbar, ob das Entgelt von netto 25 Prozent der etwaigen Abfindung für die eigenen Leistungen angemessen oder die direkte Beauftragung eines Anwalts für ihn vorteilhafter sei.
Neben einem Verstoß gegen die Preisangabenverordnung (PAngV) wegen eines fehlenden Hinweises auf die vom Kunden - zusätzlich zu den 25 Prozent - zu zahlende Mehrwertsteuer erkannte das Gericht zudem auch eine Falschbehauptung in der Aussage, man sei günstiger als jeder Anwalt. So pauschal lasse sich das nicht sagen, meinten die Richter, denn ein Verbraucher mit Rechtsschutzversicherung oder Anspruch auf Prozesskostenhilfe könne seine Ansprüche ohne eigenes Kostenrisiko und zudem ohne Provision durch einen Rechtsanwalt geltend machen. Daher sei auch die Behauptung falsch, die Beauftragung eines Anwalts sei immer mit einem Prozesskostenrisiko verbunden.
Abenteuerlich wurde es schließlich bei der o. g. vermeintlichen Kundenbewertung auf der Website: Diese könne gar nicht echt sein, befand das LG. Verraten habe man sich dabei selbst, denn aus einem Interview mit den Gründern, welches auf einer anderen Internetseite veröffentlicht wurde, gehe hervor, dass diese ihre Tätigkeit erst im Juni 2017 aufgenommen hätten. Ausgehend davon, dass die Rechtsverfolgung (laut eigener Aussage) im Schnitt 6-8 Wochen dauere, könne die besonders positive Bewertung vom 2. Juni nur fingiert worden sein.
Der Rechtsstreit ist mit diesem Beschluss allerdings noch nicht abgeschlossen. Zwar hat das Unternehmen hinter abfindungsheld.de einige der Untersagungen anerkannt, es wehrt sich vor dem LG nun aber in der mündlichen Verhandlung in Teilen gegen die Entscheidung.
Ein Urteil steht in Kürze bevor, bestätigte Rechtsanwalt Volker Küpperbusch von der Bielefelder Kanzlei Dr. Stracke, Bubenzer & Partner, die den Anwaltverein im Verfahren vertritt. In Zukunft seien wohl noch mehrere derartige Verfahren zu erwarten, erklärte der Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Medienrecht gegenüber LTO: "Man wird sich noch auf härtere Auseinandersetzungen einstellen müssen". Es gebe mehrere Online-Anbieter mit ähnlichen Geschäftsmodellen auf dem Markt, so Küpperbuch. "Das ist für den Verbraucher natürlich erst einmal immer sehr vielversprechend."
mam/LTO-Redaktion
Werbeslogans von Online-Rechtsdienstleister untersagt: . In: Legal Tribune Online, 14.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26021 (abgerufen am: 20.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag