Immer mehr Menschen verdienen als sogenannte Crowdworker mit Mikrojobs im Internet ihr Geld. Doch arbeiten sie selbstständig oder müssen sie wie Angestellte behandelt werden? Das LAG München hat sich positioniert.
Crowdworker sind keine Angestellten. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) München am Mittwoch entschieden. Personen, denen sogenannte Mikrojobs über eine Internetplattform vermittelt werden, stünden mit dem Betreiber in keinem arbeitsvertraglichen Verhältnis, weil sie nicht verpflichtet seien, die Aufträge zu übernehmen (Urt. v. 04.12.2019, Az. 8 Sa 146/19).
Crowdworker übernehmen kleinere Aufträge, die Unternehmen oder Private im Internet anbieten. Sie arbeiten über Apps oder Plattformen, wo Ihnen die Dienste innerhalb eines selbst gewählten Radius von bis zu 50 Kilometern angezeigt werden. Haben sie sich für einen Job entschied, müssen sie die Aufgabe regelmäßig innerhalb kürzester Zeit nach den bestehenden Vorgaben erledigen.
Vor dem LAG in München hatte ein Mikrojobber darauf geklagt, Angestellter der Internetfirma zu sein, die ihm die Jobs vermittelte. Der 1967 geborene Mann machte nach der Vermittlung durch die Plattform unter anderem Fotos von Tankstellen und Märkten, um sie zur Überprüfung der jeweiligen Warenpräsentation weiterzuleiten - und verdiente in 20 Stunden pro Woche knapp 1.800 Euro im Monat.
Crodworker ist nicht zur Leistung verpflichtet
Als die Plattform die Zusammenarbeit mit ihm beenden wollte, zog er vor Gericht. Aus seiner Sicht bestand zwischen ihm und der Plattform ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Die beklagte Internetfirma hielt dagegen, der Kläger sei selbstständig und habe als Selbstständiger Aufträge übernommen. Erstinstanzlich hatte das Arbeitsgericht (ArbG) München seine Klage abgewiesen.
Nach den gesetzlichen Vorgaben liegt ein Arbeitsvertrag nur dann vor, wenn ein Mitarbeiter verpflichtet ist, seine Leistung zu erbringen – und zwar weisungsgebunden, fremdbestimmt und in persönlicher Abhängigkeit. Dies zeige sich im Allgemeinen darin, dass der Mitarbeiter Arbeitsanweisungen zeitlicher, örtlicher und inhaltlicher Art beachten und in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers eingebunden sei, so das LAG.
Die Basisvereinbarung zwischen Plattformbetreiber und dem Münchener erfülle die Voraussetzungen aber schon deswegen nicht, weil der Crowdworker nicht dazu verpflichtet sei, die angebotenen Aufträge anzunehmen, entschied die Kammer. Daran ändere auch der mögliche Druck des Mannes nichts, auf zukünftige Aufträge angewiesen zu sein, weil er sich einen erheblichen Teil seines Lebensunterhalts auf diese Weise verdient hatte. Der 52-Jährige könne sich nicht auf die Schutzvorschriften für Arbeitnehmer berufen.
Liegt ein befristetes Arbeitsverhältnis vor?
Für die Münchener Richter stellt die Basisvereinbarung bloß einen Rahmenvertrag dar, der auch per Email wirksam gekündigt werden konnte. Ob gegebenenfalls ein befristetes Arbeitsverhältnis zustande kommt, wenn ein Crowdworker einen Auftrag annimmt, musste das LAG nicht entscheiden.
Die IG Metall zeigte sich enttäuscht. "Aus unserer Sicht gibt es klare Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger, den wir in dieser Auseinandersetzung unterstützen, als Arbeitnehmer einzustufen ist", sagte die Zweite Vorsitzende der Gewerkschaft, Christiane Benner. Die IG Metall wolle die Urteilsbegründung abwarten und dann entscheiden, ob sie vor das BAG gehe. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falles hat das LAG die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt zugelassen.
Der IT-Verband Bitkom begrüßte das Urteil. Die "Plattformökonomie in Deutschland" werde so gestärkt, betonte Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder: "Crowdworking ist eine völlig neue und hochflexible Form des Arbeitens, die überhaupt erst durch die Digitalisierung ermöglicht wird, und kann sowohl für die beauftragenden Unternehmen als auch für die Crowdworker selbst große Vorteile bieten." Diese ersetzten in der Regel keine klassischen Arbeitsplätze in den Unternehmen oder Freelancer-Aufträge.
Laut dem "Crowdworking Monitor" des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) aus dem Jahr 2018 arbeiten rund 4,8 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung in Deutschland als Crowdworker. "Und es ist zu erwarten, dass diese Zahl deutlich ansteigen wird", schreibt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in einem aktuellen Positionspapier zum Thema. Der DGB befürchtet seit langem prekäre Arbeitsverhältnisse von "Crowdworkern" und fordert faire Regeln.
In einem Gutachten für das BMAS - ebenfalls aus dem Jahr 2018 - wird die "rechtliche Kategorisierung" des Crowdworkings als "außerordentlich schwer" beschrieben. Der Grund sei ein "Dreiecksverhältnis zwischen Crowdsourcer, Plattform und Crowdworker".
mgö/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
LAG München zur Arbeit 4.0: . In: Legal Tribune Online, 04.12.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39057 (abgerufen am: 02.11.2024 )
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