Den Mitarbeitern in Bremen ging es um eine grundsätzliche Entscheidung: Dürfen Beschäftigte auch ohne Gewerkschaftsaufruf ihre Arbeit niederlegen? Der Richter am Landesarbeitsgericht fand die Frage zwar spannend, gab darauf aber keine Antwort.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Bremen hat am Donnerstag eine Berufungsklage von Mercedes-Mitarbeitern abgewiesen (Urt. v. 09.03.2017, Az. 2 Sa 67/16). Im Kern ging es um die Frage, ob Beschäftigte ohne Gewerkschaftsaufruf zu Kundgebungen, Arbeitsniederlegungen und Warnstreiks berechtigt sind.
Hintergrund der Klage ist eine spontane Arbeitsniederlegung von Mercedes-Beschäftigten im Dezember 2014. Mit der Aktion während der Nachtschicht wollten die Mitarbeiter gegen die geplante Auslagerung von Arbeitsplätzen in der Logistiksparte protestieren. Zuvor war es deswegen bereits zu anderen Arbeitsniederlegungen gekommen. Die IG Metall hatte die Aktionen nicht unterstützt.
Nach dem Streik Ende 2014 erteilte das Unternehmen 761 Abmahnungen. Gegen diese klagten über 30 Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Bremen-Bremerhaven. Sie waren der Auffassung, gegen eine unternehmerische Entscheidung auch ohne gewerkschaftlichen Streikbeschluss streiken zu dürfen und beriefen sich auf ihr grundrechtlich geschütztes Streikrecht in Verbindung mit der Europäischen Sozialcharta.
Diese Klage wies das ArbG ab, ohne auf die grundsätzliche Frage einzugehen. Es sei nämlich schon nicht ersichtlich, dass dem spontanen Zusammenschluss eine erforderliche ernsthafte Verhandlung über die Fremdvergabe der Logistikdienstleistungen zwischen der Arbeitgeberin und der Versammlungsgruppe vorausgegangen war. Im März 2016 entfernte Mercedes die Abmahnungen dennoch aus den Personalakten der Mitarbeiter.
Mit ihrer Berufung zum LAG haben die Arbeitnehmer im Wesentlichen die Feststellung verlangt, dass sie nicht dazu verpflichtet seien, Teilnahmen an Arbeitsniederlegungen gegen weitere von der Arbeitgeberin geplante Arbeitsplatzverlagerungen zu unterlassen.
Keine Klärung abstrakter Rechtsfragen
Die Berufung wiesen die Bremer nun zurück. Das Gericht sei aus prozessualen Gründen nicht in der Lage, über diese sicherlich hoch spannende Frage zu entscheiden, sagte der Vorsitzende Richter. Er führte aus, dass sich der ursprüngliche Klagegrund durch die Entfernung der Abmahnungen erledigt habe und die Feststellungsanträge damit unzulässig seien. Aufgabe des Zivilprozessrechtes sei die Klärung konkreter subjektiver Rechte und Pflichten und nicht die Begutachtung abstrakter Rechtsfragen allein um deren Fortentwicklung willen. Eine Art Leitfaden für Mitarbeiter könnten die Richter nicht erstellen.
Das Unternehmen Daimler verbuchte die Entscheidung gleichwohl als Erfolg für sich: "Wir freuen uns, dass auch das LAG Bremen unsere Rechtsauffassung bestätigt hat", teilte Sprecher Oliver Wihofszki mit. "Es handelte sich um illegale Streiks, die der Daimler AG materiellen Schaden zufügten."
Die Anwälte der Kläger äußerten ihre Enttäuschung über das Urteil: "Es war eine politische Entscheidung des Gerichts", sagte Anwalt Reinhold Niemerg. "Bislang haben sich die Gerichte zum Komplizen der Strategie von Daimler gemacht", sagte Kläger-Anwalt Benedikt Hopmann.
Ob die Kläger das Urteil anfechten werden, ist noch unklar. Dies würde geprüft, sobald die Urteilsbegründung vorliegt, sagten die Anwälte der Mercedes-Beschäftigten. Sie können eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht (BAG) einreichen.
dpa/mgö/LTO-Redaktion
Mercedes-Mitarbeiter bekommen keine Antwort auf Rechtsfrage: . In: Legal Tribune Online, 10.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22330 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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