Jörg L., der vor dem LG Lüneburg gestanden hat, Examenslösungen an Referendare verkauft zu haben, ist schuldfähig. Zu diesem Ergebnis kam am Dienstag ein psychiatrischer Gutachter. Die Verteidigung monierte, der Sachverständige habe keinerlei persönlichen Kontakt zu dem angeklagten Richter gehabt.
Im Prozess gegen den Richter Jörg L. wegen Handels mit Jura-Examenslösungen hält der psychiatrische Gutachter den Angeklagten für schuldfähig. Das sagte der Sachverständige am Dienstag in der Verhandlung im Landgericht (LG) Lüneburg. Der wegen Bestechlichkeit angeklagte Richter hatte gestanden, Nachwuchsjuristen Prüfungslösungen für das entscheidende Zweite Staatsexamen verkauft zu haben.
Anhaltspunkte für eine Schizophrenie oder ähnlich schwere psychische Erkrankungen gebe es bei dem Angeklagten nicht, sagte der Gutachter. "Eine schwere Intelligenzminderung ist mit seinem beruflichen Lebenslauf nicht vereinbar", erklärte er. Auch die außerehelichen Annäherungsversuche des Richters gegenüber Referendarinnen seien nicht auffällig. "Das geschieht in Deutschland häufig", sagte der Experte. Für eine schwere Depression gebe es ebenfalls keine Anzeichen.
Die Verteidigung monierte, der Sachverständige habe keinerlei persönlichen Kontakt zu dem Angeklagten gehabt. Er habe sein Gutachten nur nach Aktenlage und auf Basis von Zeugenaussagen erstellt. Das sei ein schwerer Verfahrensmangel.
Jörg L. verweigert Gespräch mit dem Gutachter
Die Vorsitzende Richterin erwiderte, der Angeklagte habe den Kontakt mit dem Gutachter verweigert. Auch am Dienstag antwortete der frühere Referatsleiter des Landesjustizprüfungsamtes nur knapp mit "Nein" auf die Frage, ob er prinzipiell mit dem Psychiater reden wolle. Nach längerer Beratung mit der Kammer betonte die Vorsitzende Richterin, dass ein Sachverständiger nicht an allen Tagen der Beweisaufnahme anwesend sein müsse.
Anfang Januar hatte der 48-Jährige in seinem überraschenden Geständnis erklärt, er habe den Referendaren helfen wollen. Die Anklage vermutet dagegen, dem Mann sei es vor allem um Geld gegangen. Dass daneben auch die Hilfe ein Motiv gewesen sein könne, wollte der Gutachter auf Nachfrage der Vorsitzenden Richterin nicht ausschließen. "Das hätte natürlich etwas Doppelbödiges", sagte er. Möglicherweise habe der Angeklagte in einer "ethisch-moralischen Mischkalkulation" nach dem Motto gehandelt: "Ich tue etwas Gutes und lass mich dafür auch noch bezahlen."
Bis zu 15 junge Juristen könnten zugegriffen haben, gegen sie wird gesondert ermittelt. Der Richter war im vergangenen Jahr auf der Flucht in Mailand gefasst worden. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft.
dpa/una/LTO-Redaktion
Verkaufte Examenslösungen: . In: Legal Tribune Online, 11.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14655 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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