In Strafverfahren kann es genügen, einen auf das Wesentliche reduzierten Anklagesatz zu verlesen. Die Strafprozessordnung verlange nicht, dass Listen im Umfang von mehr als 100 Seiten vorgetragen werden, so der BGH.
Zu diesem Ergebnis kam der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs (BGH) und hat damit die Anforderungen an die Verlesung des Anklagesatzes für Strafverfahren präzisiert (Beschl. v. 12.01.2011 Az. GSSt 1/10).
Die Richter legten den Begriff des "Verlesen" aus und stellten fest, dass das Gesetz keine langwierigen Vorträge zu Details der Tat beabsichtigt, wenn das Verfahren eine Vielzahl von gleichartig begangenen Straftaten zum Gegenstand hat. Die über mehrere Tage vorzutragenden Tatdetails könne sich ohnehin niemand merken; vielmehr würde das Vorlesen nur Zeit kosten und somit Ressourcen verschwenden. Außerdem bedeute der Verzicht auf das Vorlesen der Details kein Rechtsverlust für den Angeklagten, auch würde die Verteidigung nicht erschwert.
Im zugrunde liegenden Verfahren wurden dem Hauptangeklagten mehr als 1.400 Betrugstaten vorgeworfen. Überwiegend Handwerker und Gewerbetreibende täuschte der Angeklagte über den Abschluss von Verträgen über nutzlose Werbeanzeigen und verursachte einen Gesamtschaden von mehr als 1,8 Millionen Euro.
Die Staatsanwaltschaft schilderte im Anklagesatz die gleichartige Begehungsweise. Die Einzeltaten hingegen wurden in Listen mit fortlaufenden Nummern der Anklage beigefügt und erreichten einen Umfang von mehr als 100 Seiten. Dagegen, dass diese Liste vom Staatsanwalt nicht verlesen wurde, richtete sich das Rechtsmittel des Angeklagten.
ssc/LTO-Redaktion
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Gerichte: . In: Legal Tribune Online, 22.02.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2600 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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