Ein BGH-Urteil aus 2017 zur Aufsichtspflicht in kommunalen Freibädern hat sich herumgesprochen und macht Sorgen in den Rathäusern. Nun werden trotz anstehender Hitzewelle Rutschen abgebaut und Sprungtürme verrammelt.
Die nächste Hitzewelle dieses Sommers ist im Anmarsch: In dieser Woche steigen die Temperaturen nach aktuellen Prognosen in Deutschland auf bis zu 40 Grad. Keine Frage, dass sich an den Kassenhäuschen der örtlichen Freibäder wieder lange Schlangen bilden werden. Doch mancherorts könnten Besucher vor verschlossenen Türen stehen, denn so manche Kommunen reagiert nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus 2017, das sich offenbar herumgesprochen hat, sehr vorsichtig.
Die Karlsruher Richter hatten damals über den Fall einer jungen Frau zu entscheiden, die sich in einem kommunalen Freibad im Seil einer Boje verheddert hatte und minutenlang unter Wasser war, weshalb sie schwere Gehirnschäden davontrug und ihr Leben lang pflegebedürftig sein wird. Die Frau verlangte Schadensersatz von der Gemeinde, die das Freibad betrieb, da die anwesende Badeaufsicht grob fahrlässig gehandelt habe.
In den Vorinstanzen war die Klage noch gescheitert, da die Klägerin nicht habe nachweisen können, dass ihre Gesundheitsschäden bei einer schnelleren Bergung nicht eingetreten wären. Genau diese Beweislast sei ihr aber bei einer groben Pflichtverletzung der Badeaufsicht nicht zuzumuten, befand der III. Zivilsenat des BGH in der Revision (Urt. v. 23.11.2017, Az. III ZR 60/16). Die Gemeinde müsse in einem solchen Fall nachweisen, dass die Schäden auch bei pflichtgemäßer Aufsicht nicht zu verhindern gewesen wären.
Bei "bädertypischem Ausbau" beginnt die Haftung
Wenngleich das Urteil schon über eineinhalb Jahre zurückliegt, geht nun in den Kommunen die Angst vor Haftungsklagen um. Die gilt besonders im Hinblick auf Badeseen, an denen in der Regel keine Aufsicht eingeteilt ist. Oft können Kommunen sich dies schlicht nicht leisten, in anderen Fällen findet sich kein Personal.
Jedenfalls gilt seit dem Urteil: Sobald es sich nicht bloß um einen öffentlich zugänglichen See, sondern eine Stelle mit "bädertypischem Ausbau" handelt, sind die Kommunen in der Pflicht. Erfasst sind etwa solche Fälle, in denen sie das Baden an einer frei zugänglichen Stelle nicht bloß hinnehmen, sondern zusätzliche Infrastruktur schaffen wie beispielsweise einen Steg, eine Rutsche oder auch Toiletten - und so signalisieren, dass in diesen Gewässern gebadet werden kann.
Besonders in Bayern scheint deswegen nun der sommerliche Badespaß in ernsthafte Gefahr zu geraten. Wie die Süddeutsche Zeitung kürzlich berichtete, wird dort so manches kommunale Freibad geschlossen bleiben, da die Gemeinden Angst vor Schadensersatzansprüchen bei möglichen Badeunfällen haben. Teilweise sollen an einsamen Seen sogar Bänke und andere vorinstallierte Sitzgelegenheiten abgeschraubt worden sein, um den Anschein eines "bädertypischen Ausbaus" zu verhindern und damit Klagen - so hofft man jedenfalls - einen Riegel vorzuschieben.
Keine Pflicht zur lückenlosen Beobachtung - und doch ein Risiko
Stellt sich die Frage, was mit Freibädern ist, die zwar über eine Aufsicht verfügen, welche aber mit dem großen Besucherandrang überfordert ist. Eine solche Badeaufsicht hat zwar, wie der BGH in seiner Entscheidung 2017 ausführte, "nicht die Verpflichtung zur lückenlosen Beobachtung eines jeden Schwimmers, da eine Sicherheit, die jeden Gefährdungsfall ausschließt, nicht erreichbar ist".
Sie sei aber "verpflichtet, den Badebetrieb und damit auch das Geschehen im Wasser zu beobachten und mit regelmäßigen Kontrollblicken daraufhin zu überwachen, ob Gefahrensituationen für die Badegäste auftreten", hielt der Senat damals fest. Nur schwierig vorzustellen, wie das in einem überlaufenen Freibad von einer oder zwei Aufsichtspersonen adäquat bewerkstelligt werden soll.
Sorge wegen BGH-Urteil aus 2017: . In: Legal Tribune Online, 22.07.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36617 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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