Ein Familienrichter aus Weimar ist vorläufig vom Dienst suspendiert. Der Mann hatte in der Corona-Hochzeit für alle Schüler an zwei Schulen die Maskenpflicht aufgehoben. Vor dem LG Erfurt ist er deshalb wegen Rechtsbeugung angeklagt.
Der wegen Rechtsbeugung angeklagte Familienrichter am Amtsgericht (AG) Weimar ist vorläufig vom Dienst suspendiert. Das hat das Thüringer Richterdienstgericht am Landgericht (LG) Meiningen entschieden (Beschl. v. 19.01.2023, Az. DG 1/22). Das hatte zuerst der MDR berichtet. Der Richter musste am folgenden Tag seinen Arbeitsplatz räumen und ab sofort auf 25 Prozent seiner Dienstbezüge verzichten.
Der Richter hatte im April 2021 für alle Schüler an zwei Schulen die Corona-Schutzmaßnahmen aufgehoben und dies mit der Sicherung des Kindeswohls begründet. Doch für Klagen gegen die entsprechenden hoheitlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus sind die Verwaltungsgerichte zuständig. Der Familienrichter hatte in seiner Entscheidung zwar dargelegt, wieso er für diese Fälle zuständig sei. Die Argumente waren jedoch weit von der wissenschaftlichen Lehre entfernt. Die Entscheidung in der Sache selbst stütze der Richter auf Argumente, die in weiten Teilen wissenschaftlichen Grundlagen entbehrten.
Die Staatsanwaltschaft Erfurt sah einen Anfangsverdacht für eine strafbare Rechtsbeugung und nahm Ermittlungen auf. Sei sah Anhaltspunkte dafür, dass der Richter willkürlich seine Zuständigkeit angenommen habe, obwohl es sich um eine verwaltungsrechtliche Angelegenheit handelte, für die ausschließlich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei, teilte die Staatsanwaltschaft seinerzeit mit. Er habe sich bewusst und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz entfernt, seine Entscheidung werde von den gesetzlichen Vorschriften nicht mehr getragen, sie erscheine willkürlich.
Weiße Rosen für den Rechtsstaat
Die Staatsanwaltschaft Erfurt durchsuchte im April 2021 und im Juni 2021 die Dienst- und Privaträume des Familienrichters. Vor dem AG Weimar demonstrierten damals Menschen gegen diese Maßnahmen und legten weiße Rosen für den Rechtsstaat nieder.
Seitdem aber war es wieder ruhig geworden am Amtsgericht. Zwar lief das nach § 83 Thüringer Richter- und Staatsanwältegesetz (ThürRiStAG) vom Landesjustizministerium angestrengte Verfahren gegen den Richter, doch am Amtsgericht selbst ging alles seinen Gang. Über das Thema sei mit dem Familienrichter nicht gesprochen worden, ist aus Gerichtskreisen zu vernehmen. Der verhandelte und entschied seine Fälle, das tat er auch noch vergangene Woche Montag. Am Donnerstag dann erging die Entscheidung des Richterdienstgerichts, die dem Richter am Freitag zuging.
Familienrichter legt Beschwerde ein
Der zugrunde liegende Beschluss des Familienrichters war vom April 2021, die Durchsuchungen folgten zeitnah. Mit Beschluss vom 4. August 2022 ließ das LG Erfurt die am 17. Mai 2022 erhobene Anklage zu. Die Antragsschrift des Justizministeriums an das Richterdienstgericht datiert auf den 15. August 2022. Er wolle sich zu laufenden Verfahren nicht äußern, heißt es von einem Richter in Thüringen, doch subjektiv habe er den Eindruck, dass mit der Eröffnung des Hauptverfahrens auch eine Suspendierung hätte einher gehen können und sollen.
Gerhard Strate, Strafverteidiger des Familienrichters, sagte im Gespräch mit LTO, er sei "empört" und weiter: "Wir werden Beschwerde beim Oberlandesgericht Jena einlegen." Das muss innerhalb von zwei Wochen geschehen.
"Die Entscheidung stützt sich auf eine WhatsApp-Nachricht meines Mandanten, die nie ordnungsgemäß richterlich beschlagnahmt wurde", sagt Strate. "Das LG Erfurt in seiner Entscheidung über die Zulassung der Anklage und das LG Meiningen in seinem Beschluss über die vorläufige Dienstenthebung meines Mandanten, stützen sich durchweg auf Dokumente, die weitgehend bei der Auswertung der bei meinem Mandanten sichergestellten Speichermedien gewonnen wurden", sagt der Anwalt. Deren beweismäßige Verwendung sei erst zulässig, wenn die darauf gesicherten Dateien durch das zuständige Gericht (in der Regel der zuständige Ermittlungsrichter des Amtsgerichts) nach Anhörung des Betroffenen beschlagnahmt worden seien. Das sei ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - und die des OLG Jena, so die Position des Verteidigers. Das sei aber nicht geschehen.
In dem Strafverfahren gegen den Richter ist bisher nicht terminiert. Das zuständige LG Erfurt teilte auf LTO-Anfrage wie schon zuvor mit, es gebe vorrangige Haftsachen, die Terminierung für die Hauptverhandlung stehe aber bevor. Bis zu einer Entscheidung darf der Familienrichter nicht tätig sein.
Nach Anklage wegen Rechtsbeugung: . In: Legal Tribune Online, 25.01.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50883 (abgerufen am: 16.11.2024 )
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