Ungarn darf Nießbrauchsrechte an landwirtschaftlichen Flächen nicht nur nahen Angehörigen der Eigentümer einräumen. Das schränkt laut EuGH den freien Kapitalverkehr rechtswidrig ein und diskriminiert Ausländer. Die Kommission dürfte es freuen.
Im Jahr 1994 hat Ungarn ein Gesetz erlassen, nach dem ausländische Staatsbürger keine Anbauflächen in Ungarn erwerben durften, sondern lediglich Nutzungsrechte daran. Wer seitdem in Agrarflächen in Ungarn investieren wollte, konnte das nur in Form eines Nießbrauchsrechts tun.
Viktor Orban reicht das nicht. 2013 führte seine nationalkonservative Regierung eine neue Regelung ein, nach der die Nießbrauchsrechte ohne Entschädigung erlöschen, wenn zwischen Eigentümer und Nutzer kein enges Verwandtschaftsverhältnis besteht. Ungarn wollte damit nach eigenen Bekunden unter anderem Spekulationen mit Ackerflächen verhindern, indem es die Anbauflächen den sie bewirtschafteten Personen vorbehielt.
Gegen die entschädigungslose Löschung ihrer Rechte in den Jahren 2014 und 2015 wehrten sich die ungarische Gesellschaft Segro, deren Gesellschafter in Deutschland wohnen, und ein österreichischer Staatsangehöriger. Zu Recht, urteilte am Dienstag der Europäische Gerichtshof (EuGH), den das mit den Klagen gegen die Behördenbescheide befasste ungarischen Verwaltungs- und Arbeitsgericht angerufen hatte. Die Regelung stelle eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar, befanden die Richter in Luxemburg (EuGH, Urt. v. 06.03.2018, Az. C-52/16 und C-113/16)
EuGH: Regelungen ungeeignet und diskriminierend
Der EuGH befand nun, dass die Regelungen, die auch Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens der Europäischen Kommission gegen Ungarn sind, den freien Kapitalverkehr einschränken, unabhängig davon, ob die rechtlos gestellten Nießbrauchsberechtigten für die Löschung entschädigt würden oder nicht.
Ein nahes Angehörigenverhältnis zwischen dem Eigentümer der Fläche und dem Nießbrauchsberechtigten zu fordern, könne zudem Ausländer mittelbar diskriminieren. Da für sie nach der alten, bis 2013 geltenden Rechtslage der Nießbrauch die einzige Möglichkeit war, überhaupt in landwirtschaftliche Flächen in Ungarn zu investieren, seien sie überproportional von den jetzt beschlossenen Löschungen betroffen.
Gerechtfertigt sind die Eingriffe nach Ansicht der Luxemburger Richter nicht. Sie seien schon nicht geeignet, die von Ungarn angeführten Ziele zu erreichen, speziell den Erwerb zu Spekulationszwecken zu verhindern, argumentiert der EuGH. Schließlich könnten auch Verwandte den Hof nicht selbst bewirtschaften oder zu Spekulationszwecken nutzen.
Wenig abgewinnen können die Richter auch dem Argument der ungarischen Regierung, mit der Löschung der Rechte Deckmantelverträge zu verhindern, über welche Ausländer versuchten, das Verbot des Eigentumserwerbs in Ungang zu umgehen. Der EuGH stellt lapidar fest, dass die Bestellung von Nießbrauchsrechten nicht verboten war, als die beiden Kläger diese erwarben. Eine allgemeine Vermutung, dass jeder Nießbrauchsberechtigte, der nicht mit einem Eigentümer verwandt ist, missbräuchlich handele, sei unzulässig.
pl/LTO-Redaktion
Mit Materialien von dpa
EuGH zur Nutzung von Agrarflächen: . In: Legal Tribune Online, 06.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27361 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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