Wer wegen einer besonders schweren Straftat verurteilt worden ist, kann die Flüchtlingseigenschaft verlieren – wenn er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Der EuGH hat in drei Fällen die Voraussetzungen dafür konkretisiert.
Drittstaatsangehörige, die wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt worden sind, können ihre Flüchtlingseigenschaft verlieren. Das gilt nach dem Unionsrecht allerdings nur, wenn sie zugleich eine Gefahr für die Allgemeinheit des Mitgliedstaats darstellen, in dem sie sich aufhalten.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in drei Fällen aus Belgien, Österreich und den Niederlanden die Voraussetzungen der Aberkennung bzw. Ablehnung der Flüchtlingseigenschaft konkretisiert (Urt. v. 06.07.2023, Az. C-8/22, C-663/21, C-402/22).
Insbesondere hat der EuGH klargestellt, dass man nicht allein aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung darauf schließen könne, dass die verurteilte Person eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle. Vielmehr müssten beide Voraussetzungen erfüllt sein.
EuGH fordert Gefahr für ein "Grundinteresse der Allgemeinheit"
Die Verurteilung müsse sich auf eine Tat beziehen, die eine "außerordentliche Schwere aufweist" und "zu den Straftaten gehört, die die Rechtsordnung der betreffenden Gesellschaft am stärksten beeinträchtigen". Mehrere weniger gewichtige Straftaten dürfen laut EuGH nicht zu einer schweren aufaddiert werden; vielmehr müsse mindestens eine Tat vorliegen, die als solche außerordentlich schwer wiegt. Zu berücksichtigen seien dabei insbesondere Art und Maß der Strafe und der Schäden, mildernde oder erschwerende Umstände sowie die Frage, ob die Tat vorsätzlich begangen wurde.
Zudem müsse die Person eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für ein "Grundinteresse der Allgemeinheit" des Mitgliedstaats darstellen, in dem sie sich aufhält. Die zuständige Behörde müsse in jedem Einzelfall sämtliche Umstände des Falles würdigen.
Wenn beide Voraussetzungen gegeben sind, kann ein Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft aberkennen – muss es aber nicht. Insbesondere müsse die Maßnahme in Bezug auf die Gefahr, die die Person für ein Grundinteresse der Allgemeinheit des Mitgliedsstaats darstellt, verhältnismäßig sein. Nicht zwingend berücksichtigen müsse die Behörde bei der Abwägung hingegen Art und Ausmaß der Maßnahmen, denen die Person bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland ausgesetzt wäre.
fkr/LTO-Redaktion
EuGH zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft: . In: Legal Tribune Online, 06.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52169 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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