Schwerer Schlag für Versicherungskonzerne: Der EuGH hat mit einem Urteil von Donnerstag die Grundlage dafür geschaffen, dass Millionen Versicherte ihre Lebensversicherungen kündigen können. Das Rücktrittsrecht erlösche spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie nicht, wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt belehrt worden ist, so das Gericht.
Die frühere nationale Regelung nach § 5a Vertragsversicherungsgesetz (VVG) besagte, dass ein Rücktrittsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie erlischt, selbst wenn der Versicherungsnehmer nicht über dieses Recht zum Rücktritt belehrt worden ist. Dagegen hatte sich ein Mann gewehrt und die Allianz AG verklagt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) daraufhin ein Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt, ob die Regelung mit europäischem Recht vereinbar sei.
Ist sie nicht, entschied der Gerichtshof nun. Art. 15 Abs. 1 S. 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung in Verbindung mit Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung sei dahin auszulegen, dass er der nationalen Regelung des früheren § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG entgegenstehe (Urt. v. 19.12.2013, Az. C-209/12). Es sollte sichergestellt werden, dass der Versicherungsnehmer über sein Rücktrittsrecht genau belehrt werde. So lang dies nicht geschehen sei, dürfe ihm nicht die Möglichkeit zum Rücktritt genommen werden.
Die Richtlinien wurden im Jahr 2002 durch die Richtlinie 2002/83 zu Lebensversicherungen ersetzt, der deutsche §5a VVG trat Anfang 2008 außer Kraft. Dennoch sind von dem zeitlich nicht begrenzten Urteil des EuGH nach Schätzung der Allianz AG über 108 Millionen Verträge aus dem Zeitraum 1995 bis 2007 mit einem Gesamtprämienvolumen von über 400 Milliarden Euro betroffen.
Das Gericht hat die Wirkungen des Urteils in zeitlicher Hinsicht dennoch nicht begrenzt. Die Allianz AG habe keine Beweise vorgelegt, sondern sich lediglich darauf beschränkt, auf eine sehr hohe Zahl von Versicherungsverträgen zu verweisen. Sie habe weder Angaben zur Zahl von Versicherungsverträgen gemacht, bei denen der Versicherungsnehmer nicht über sein Rücktrittsrecht belehrt wurde, noch habe sie das wirtschaftliche Risiko beziffert, das für sie damit verbunden ist, dass die betroffenen Versicherungsnehmer von diesen Verträgen zurücktreten können.
age/LTO-Redaktion
EuGH zur Kündigungsfrist bei Lebensversicherungen: . In: Legal Tribune Online, 19.12.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10418 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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