EuGH-Generalanwältin zu PIP-Skandal: Haftet der TÜV?

15.09.2016

Der TÜV könnte für fehlerhafte Implantate haftbar sein, sofern er seine Prüfpflichten verletzt hat. Diese obliegen ihm grundsätzlich bei Kenntnis der Fehlerhaftigkeit, wie die EuGH-Generalanwältin in ihren Schlussanträgen klarstellte.

Hat der Technische Überwachungsverein (TÜV) Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit eines Medizinprodukts, treffen ihn Produktsicherheitspflichten. Nach Ansicht von Generalanwältin Sharpston trifft den TÜV daher auch eine Haftung gegenüber Patienten, sofern er dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (Schlussanträge v. 15.09.2016, Az. C-219/15).

Die klagende Frau hatte sich 2008 in Deutschland Silikonbrustimplantate einsetzen lassen. Nachdem die französischen Behörden feststellten, dass der Hersteller Poly Implant Prothèse (PIP) minderwertiges Silikon verwendet hatte, ließ sie sich 2012 die Implantate entfernen. Da der Hersteller jedoch insolvent geworden war, erhob sie Klage gegen den TÜV Rheinland und begehrte Schmerzensgeld in Höhe von 40.000  Euro sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für ihr künftig durch die fehlerhaften Implantate entstehenden materiellen Schäden.

Sowohl national als auch international waren Klagen gegen den TÜV, der das sogenannte "Konformitätsbewertungsverfahren" für die Silikonkissen durchgeführt hatte, bisher erfolglos.

Nun obliegt dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Entscheidung der Frage, inwieweit den TÜV überhaupt Prüfpflichten treffen und eine Haftbarkeit für deren Verletzung bestehen kann.

Haftung nur bei Kenntnis von Fehlerhaftigkeit

Generalanwältin Sharpston führte dazu in ihren Schlussanträgen am Donnerstag aus, dass die Medizinproduktrichtlinie (Richtlinie 93/42/EWG) einer Ausdehnung der Verantwortlichkeit für die Produktkonformität über den Hersteller hinaus nicht entgegensteht.

Allerdings dürfe der TÜV laut Generalanwältin grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Hersteller im Einklang mit seinem genehmigten Qualitätssicherungssystem tätig ist. Ihn treffe daher keine allgemeine Verpflichtung, Produkte zu prüfen, Geschäftsunterlagen des Herstellers zu sichten oder unangemeldete Inspektionen durchzuführen.

Anders sei die Situation jedoch zu werten, sofern der TÜV Kenntnis von möglichen Mängeln erlangt hat. Er sei dann verpflichtet, die ihm nach der Richtlinie zur Verfügung stehenden Befugnisse auszuüben, um festzustellen, ob seine Zertifizierung des Produkts aufrechterhalten werden kann. Mit Blick auf seine wissenschaftliche Fachkenntnis liege es aber im Ermessen des TÜV zu entscheiden, wie er tätig wird. Erforderlich sei lediglich, dass er seinen Sorgfaltspflichten jederzeit nachgekommen ist.

In Anbetracht der schwerwiegenden wirtschaftlichen Auswirkungen des Ergebnisses schlägt die Generalanwältin jedoch vor, die zeitliche Wirkung der Entscheidung des EuGH zu begrenzen.

nas/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EuGH-Generalanwältin zu PIP-Skandal: . In: Legal Tribune Online, 15.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20592 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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