Der EuGH hat am Donnerstag ein Gutachten zum geplanten Beitritt der Europäischen Union zur Menschenrechtskonvention vorgestellt. Die Richter sehen den Entwurf der Übereinkunft kritisch. Vor allem eines wird deutlich: Der Gerichtshof will keine Kompetenzen an den EGMR abgeben. Ein Beitritt der EU ist nun mittelfristig ausgeschlossen.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich zum Entwurf der Übereinkunft über den Beitritt der Europäischen Union (EU) zur Menschenrechtskonvention (EMRK) in Form eines Gutachtens geäußert. Die Kommission hatte sich diesbezüglich an das Gericht gewandt.
Seit dem Jahr 2010 beschäftigt sich die Kommission nach einem Beschluss des Rates der EU mit dem Beitrittsprojekt. Im April 2013 hatte man sich auf einen Entwurf geeinigt, zu dem sich die Luxemburger Richter nun äußern sollten. Das Gutachten zeigt: Der EuGH steht einem Beitritt zwar nicht grundsätzlich im Weg. Er fordert allerdings konkrete Regelungen, damit er sich keiner externen Kontrolle durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) unterwerfen muss.
Zwar habe die Union durch den Vertrag von Lissabon die Ermächtigungsgrundlage für einen solchen Beitritt geschaffen. Dennoch sei ein solcher in der geplanten Form mit den unionsrechtlichen Vorschriften unvereinbar, heißt es.
Mit einem Beitritt würden die Union und ihre Organe, wie die 47 Mitgliedstaaten auch, an die internationale Übereinkunft und damit an die in der EMRK vorgesehenen Kontrollmechanismen gebunden sein. Auch der EuGH selbst würde den Entscheidungen des EGMR unterliegen. Das laufe aber dem Wesen der EU zuwider. Diesen Konflikt könne man nur durch eine Regelung lösen, die eine Abstimmung diesbezüglich sicherstellt.
Die EU ist kein Staat
Doch eine solche fehlt den Luxemburger Richtern in dem Entwurf. Der EuGH macht in seinem Gutachten deutlich, dass es eine entsprechende Regelungen braucht, um EMRK und die Grundrechtscharta aufeinander abzustimmen. Wenn die durch die Charta anerkannten Rechte denen der EMRK entsprechen, so müssten die durch letztere eingeräumten Befugnisse auf das Nötigste beschränkt werden, heißt es.
Konkret bedeutet das: Die EU darf sich nicht wie jeder Mitgliedstaat komplett der EMRK und damit einer externen Kontrolle unterwerfen. Dadurch würde verkannt, dass die Union eben kein Staat sei. Ihre besonderen Merkmale müssten auch bei einem Beitritt zur EMRK berücksichtigt werden, so das Gutachten.
Für die Auslegung von Unionsrecht – und damit auch der Charta – soll nach Ansicht des EuGH allein er selbst zuständig bleiben. Die Luxemburger wollen also keine Kompetenzen an die Kollegen in Straßburg abgeben. Der Beitrittsentwurf sieht hingegen die Möglichkeit vor, den EGMR mit einem Vorwurf der Verletzung der EMRK durch einen EU-Mitgliedstaat zu befassen. Sofern hierbei aber Rechte geltend gemacht werden, die auch das Unionsrecht garantiert, hält sich der EuGH für zuständig. In Luxemburg wünscht man sich daher eine Regelung, welche dieses Entscheidungsmonopol manifestiert.
EuGH will kein Kooperationsverhältnis mit EGMR
Für den Unionsrechtler Prof. Dr. Joachim Wieland ist das Beitrittsprojekt damit zumindest mittelfristig gescheitert: "Aus der Sicht des Gerichtshofs geht seine Rechtsprechung der des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in der Union vor. Er verlangt, dass sich sein Entscheidungsvorrang nicht erst in der Praxis eines zwischen beiden Gerichten in gegenseitiger Rücksichtnahme gelebten Kooperationsverhältnisses ergibt, wie das gegenwärtig zwischen dem Europäischen Gerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht der Fall ist, sondern dass bereits in den Rechtsgrundlagen der Vorrang unmissverständlich festgelegt ist", so der Universitätsprofessor.
Ob Änderungen des Entwurfs nach den Vorgaben aus Luxemburg zur Lösung des Problems führen werden, bezweifelt Wieland: "Entsprechende Änderungen werden für den Menschenrechtsgerichtshof nicht leicht zu akzeptieren sein."
una/LTO-Redaktion
EuGH untersagt EU Beitritt zur EMRK: . In: Legal Tribune Online, 18.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14156 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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