Nach Ansicht von EuGH-Generalanwalt Szpunar fallen die "Afghanistan-Papiere" nicht unter das Urheberrecht. Das Urheberrecht könne nicht als Abwehrargument gegen Journalisten zweckentfremdet werden, heißt es in seinen Schlussanträgen.
Die Bundesrepublik Deutschland erstellt wöchentlich einen militärischen Lagebericht über die Auslandseinsätze der Bundeswehr und die Entwicklungen in den Einsatzgebieten. Diese "Unterrichtungen des Parlaments" (UdP) fallen unter die niedrigste Geheimhaltungsstufe und erhalten die Kennzeichnung "Verschlusssache - Nur für den Dienstgebrauch". Diese Dokumente sind etwa ausgewählten Abgeordneten des Bundestages oder gewissen Dienststellen des Verteidigungsministeriums vorbehalten. Lediglich eine gekürzte Fassung des militärischen Berichtes wird als "Unterrichtung der Öffentlichkeit" veröffentlicht.
Nachdem die deutsche Mediengruppe Funke Medien NRW den Zugang zu sämtlichen UdP beantragte und dieser abgelehnt wurde, gelangte sie auf unbekanntem Wege an die ausführliche Version der Berichte und veröffentlichte sie in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung unter der Bezeichnung "Afghanistan-Papiere". Zwar sah die Bundesrepublik von einer Strafanzeige ab, klagte jedoch gegen die Funke Medien NRW wegen Urheberrechtsverletzungen vor den Zivilgerichten auf Unterlassung.
Der Fall gelangte schließlich auf den Prüfstand des Bundesgerichtshofs (BGH), der sich nicht sicher war, wie die unionsrechtlichen Vorgaben zum Urheberrecht auszulegen sind. Mit der Bitte um Klärung rief er deshalb den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an.
Kein Urheberrechtsschutz für reines Informationsmaterial
Der Generalanwalt Maciej Szpunar führt in seinen Schlussanträgen nun aus, dass militärische Lageberichte grundsätzlich nicht unter das unionsrechtliche Urheberrecht fallen. Denn als reine Informationsdokumente, die in einer völlig neutralen und standardisierten Sprache abgefasst seien, stellen sie keine urheberrechtlich zu schützenden Werke dar. Ob die "Afghanistan-Papiere" solche "rohen Informationsdokumente" darstellen oder nicht, müssen aber die deutschen Gerichte entscheiden.
Doch selbst wenn die deutschen Gerichte zu dem Ergebnis kommen sollten, dass die militärischen Berichte unter das Urheberrecht fallen, ist laut Szpunar ein urheberrechtlicher Schutz solcher Dokumente nicht erforderlich. Denn das Ziel, das die Bundesrepublik mit ihrer Unterlassungsklage verfolge, habe überhaupt nichts mit den Zielen des Urheberrechts zu tun. Der Bundesrepublik gehe es in erster Linie um den Schutz der Vertraulichkeit bestimmter als sensibel eingestufter Informationen. Das Urheberrecht werde hier also zu der Verfolgung von Zielen instrumentalisiert, die ihm völlig fremd sind.
Urheberrecht ist keine Hintertür für Geheimhaltung
Würde man das anders sehen, käme dies einem Grundrechtseingriff gleich, der nicht nur nicht erforderlich sei, sondern grob schädlich für die Meinungsfreiheit. Denn wichtiger Bestandteil der Meinungsfreiheit sei auch die Freiheit der Medien, die die Kontrolle des Staates gewährleiste. Diese Kontrolle könne zwar immer dann zu Recht verweigert werden, wenn die Veröffentlichung der Dokumente eine Bedrohung für die wesentlichen Interessen des Staates begründen könne. Laut Szpunar muss der Staat dann aber solche Dokumente als entsprechend geheim kennzeichnen. Tut er das nicht, könne er die Kontrolle seines Handelns durch die Medien nicht dadurch verhindern, dass er sich auf das Urheberrecht beruft.
tik/LTO-Redaktion
EuGH-Generalanwalt zu militärischen Lageberichten: . In: Legal Tribune Online, 25.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31691 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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