Das Bieterverfahren beim Verkauf der legendären Rennstrecke am Nürburgring sei nicht ohne Zweifel diskriminierungsfrei abgelaufen. Das entschied der EuGH, der damit vom Urteil des EuG in erster Instanz abweicht.
Die EU-Kommission hat nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nicht ausreichend geprüft, ob der Nürburgring, der sich einst in staatlicher Hand befand, zu Unrecht günstiger als möglich verkauft wurde. Der Autozulieferer Capricorn hatte für rund 77 Millionen Euro den Zuschlag für das Anwesen erhalten, in dessen Ausbau das Land Rheinland-Pfalz fast eine halbe Milliarde Euro gesteckt hatte. Der EuGH teilte am Donnerstag mit, es habe "Anlass zu Bedenken" gegeben, die die EU-Kommission hätten veranlassen müssen, ein förmliches Prüfverfahren einzuleiten (Urt. v. 02.09.2021, Rs. C-647/19 und C-665/19).
Die EU-Kommission hatte 2014 entschieden, dass bestimmte Beihilfen zwar unzulässig waren, aber nicht zurückgefordert werden könnten. Das Bieterverfahren beim Verkauf sei zudem offen, transparent und diskriminierungsfrei und der Preis marktgerecht gewesen. Kläger in den zugrundeliegenden Verfahren sind der Verein "Ja zum Nürburgring" und das US-Unternehmen Nexovation. Sie wollten die Strecke selbst erwerben, kamen aber nicht zum Zuge. Vor dem Europäischen Gericht (EuG) scheiterten sie zunächst im Jahr 2019.
Der EuGH beurteilte die Lage jedoch anders als das EuG. Der Fehler sei gewesen, dass die Kommission zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass das Kaufangebot von Capricorn von einer Bank garantiert gewesen sei. "Dieser Fehler lässt Zweifel an der Diskriminierungsfreiheit des Bietverfahrens aufkommen", so das Gericht. Das höhere Angebot von Nexovation sei wegen fehlenden Finanzierungsnachweises ausgeschlossen worden. Welches Ergebnis und welche Auswirkungen ein neues Prüfverfahren haben, steht noch nicht fest.
War der Verkauf mit einer staatlichen Beihilfe verbunden?
Die EU-Kommission muss nun erneut prüfen, ob der Verkauf "mit der Gewährung einer staatlichen Beihilfe verbunden war", wie der EuGH erklärte. Welches Ergebnis und welche Auswirkungen ein neues Prüfverfahren hat, steht noch nicht fest.
Der Vorsitzende des Vereins "Ja zum Nürburgring", Dieter Weidenbrück, kommentierte: "Die Entscheidung des EuGH untermauert unsere Kritik am Verkaufsverfahren." Es sei für den Verein nicht nachvollziehbar, "warum erst die letzte Instanz bemüht werden musste, um die offensichtlich unzureichende Finanzierungslage der Käufer korrekt einzuordnen. Das Verkaufsverfahren ist nun endgültig als Farce entlarvt." Bei der neuen Prüfung der EU-Kommission dürfte es kaum möglich sein, die damalige Finanzierung als gesichert und somit den Verkaufsprozess als fair und EU-konform einzuordnen, so Weidenbrück. Der Verein dringe darauf, die "Zukunft des automobilen Kulturguts und den Zugang für den Breitensport langfristig sicherzustellen".
Die vor fast 100 Jahren in Betrieb genommene Rennstrecke in staatlicher Hand ging 2012 pleite. Daher wurde sie verkauft. Inzwischen gehört sie einer Holding des russischen Unternehmers Viktor Charitonin. Die Betreiberfirma des Nürburgrings hat die Asphaltschleife auf zahlreiche wirtschaftliche Standbeine gestellt - neben Motorsport gibt es hier auch in Corona-Zeiten beispielsweise Testfahrten der Autobranche und Firmenveranstaltungen. Hinzu kommen Fahrten von Hobby-Rennfahrern mit eigenen Autos auf dem Nürburgring. Das legendäre Musikspektakel "Rock am Ring" dagegen ist schon zwei Jahre in Folge der Pandemie zum Opfer gefallen.
dpa/pdi/LTO-Redaktion
EuGH zum Bieterverfahren: . In: Legal Tribune Online, 02.09.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45903 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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