Großbritannien erkannte es bis 2014 nicht an, wenn Männer, die mit einer Frau verheiratet waren, selbst zur Frau wurden. Weil das auch Folgen für die Rente hat, landete der Fall vor Gericht. Nun war der EuGH am Zug.
Ein Mann heiratet eine Frau und entscheidet sich später, selbst zur Frau zu werden. Doch der Staat Großbritannien erkennt seine Geschlechtsumwandlung nicht an, da die Gesetze dies für Personen untersagen, die in einer bestehenden Ehe leben. So jedenfalls war die Rechtslage bis zum Inkrafttreten des Same Sex Couples Act im Dezember 2014, nach dem nun auch Homosexuelle heiraten dürfen. Das alte Recht brachte den Briten nun Ärger vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein.
Zwar beteuerten die Luxemburger Richter, man entscheide nicht in der Frage, ob die Anerkennung einer Geschlechtsumwandlung grundsätzlich vom Bestehen einer Ehe abhängig gemacht werden dürfe. Dies falle in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Problematisch allerdings war im vorliegenden Fall, dass die Anerkennung auch Auswirkungen auf das Renteneintrittsalter hatte. Denn in Großbritannien dürfen vor dem 6. Dezember 1953 geborene Männer mit 65, vor dem 6. April 1950 geborene Frauen dagegen schon mit 60 Jahren abzugsfrei in Rente gehen. Darf nun ein transsexueller Mensch gezwungen werden, sich scheiden zu lassen, um gemäß seinem neuen Geschlecht in Rente gehen zu dürfen? Nein, entschied der EuGH ganz klar (Urt. v. 26.06.2018, Az. C-451/16).
Die Klägerin, 1948 als Mann geboren, hatte 1974 eine Frau geheiratet, bevor sie selbst begann, als Frau zu leben, und sich 1995 schließlich einer operativen Geschlechtsumwandlung unterzog. Aus religiösen Gründen verzichtete das Paar in der Folge auf die Scheidung.
Als die Person im Jahr 2008 60 wurde, beantragte sie die staatliche Ruhestandsrente. Diese wurde ihr allerdings versagt mit der Begründung, ihre Geschlechtsumwandlung sei nicht offiziell anerkannt. Somit könne man sie auch in Bezug auf die Rente nicht als Frau behandeln. Problem der Anerkennung war die weiter bestehende Ehe: Nach damaligem britischem Recht hätte diese zunächst für ungültig erklärt werden müssen, bevor die Geschlechtsänderung hätte bescheinigt werden können.
EuGH: Altersarmut kann auch Transsexuelle treffen
Hiergegen wehrte sich die Person schließlich vor den britischen Gerichten, ehe sich der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs veranlasst sah, die Frage dem EuGH vorzulegen. Dieser stellte dazu nun nüchtern fest: Transgender würden durch die damalige Regelung anders beurteilt als Personen, die bei gleichbleibendem Geschlecht in einer Ehe lebten.
Einen sachlichen Grund dafür vermochte man in Luxemburg nicht zu erkennen. Die Funktion der gesetzlichen Rente, gegen das Risiko von Armut im Alter zu schützen, sahen die Richter als universell an. Transsexuelle seien davon schließlich gleichermaßen betroffen wie nicht-transsexuelle Personen.
Die frühere Regelung, welche für eine Geschlechtsänderung die Ungültigerklärung der Ehe gefordert hatte, habe das Ziel verfolgt, homosexuelle Ehen zu vermeiden. Das habe aber nichts mit dem Rentensystem zu tun, weshalb dies auch nicht als Grund herhalten könne, so die Richter.
Die vorliegende Konstellation sei damit ein Fall für die EU-Richtlinie 79/7/EWG von 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit. Diese sei auch dann anwendbar, wenn die Diskriminierung ihre Ursache in einer Geschlechtsumwandlung des Betroffenen habe. Es handele sich somit um eine verbotene Diskriminierung.
mam/LTO-Redaktion
EuGH untersagt Großbritannien Diskriminierung von Transgendern: . In: Legal Tribune Online, 26.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29389 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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