Die umstrittene Disziplinarkammer Polens zur Bestrafung von Richtern verstößt gegen EU-Recht, wie der EuGH bereits urteilte. Doch sie ist weiter tätig, weshalb der EuGH Polen nun zu einem täglichen Zwangsgeld in Millionenhöhe verpflichtete.
Der Vizepräsident des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat Polen per einstweiliger Anordnung zur Zahlung eines täglichen Zwangsgeldes in Höhe von einer Million Euro verpflichtet (Beschl. v. 27.10.2021, Rs. C-204/21 R Kommission / Polen).
Konkret geht es dabei insbesondere um die Anordnung vom 14. Juli, die Arbeit der umstrittenen Disziplinarkammer zur Maßregelung von Richtern zu stoppen. Die Tätigkeit ist laut EuGH nicht mit EU-Regeln zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz vereinbar.
Polen hatte daraufhin angekündigt, dass die umstrittene Disziplinarkammer in ihrer derzeitigen Form abgeschafft werden soll. Sie arbeitete zuletzt aber weiter alte Fälle ab. Die Kammer galt bislang als das Herzstück der von der PiS-Regierung initiierten Justizreformen. Kritiker befürchten, sie könne dazu dienen, Richter für unliebsame Entscheidungen zu maßregeln.
Fälligkeit bis Polen Folge leistet
Die Einhaltung der Anordnung vom 14. Juli sei erforderlich, um einen "schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden" von der Rechtsordnung der Europäischen Union und der Werte, auf denen diese Union beruhe (...), abzuwenden, ließ der Vizepräsident des Gerichtshofs nun am Mittwoch mitteilen. Das Zwangsgeld solle bewirken, dass Polen die Einhaltung nicht hinauszögere.
Die Finanzsanktionen gegen Polen waren am 9. September von der für die Überwachung der Rechtsstaatlichkeit in der EU zuständigen EU-Kommission beantragt worden. Sie werden nun so lange fällig, bis Polen den Anordnungen des EuGH Folge leistet.
"Die Justizsysteme in der gesamten Europäischen Union müssen unabhängig und fair sein", hatte Kommissionschefin Ursula von der Leyen damals kritisiert. Polens Justizminister Zbigniew Ziobro sprach hingegen von einer "Aggression gegen Polen" und von einem "juristischen hybriden Krieg". Schon zuvor hatte es beim EU-Gipfel Streit um Polens Justiz gegeben.
Polen spricht von "Erpressung"
Polens Regierung hat den Beschluss des EuGH als "Erpressung" zurückgewiesen. "Der EuGH verachtet und ignoriert die polnische Verfassung und die Urteile des Verfassungsgerichts komplett", schrieb Vize-Justizminister Sebastian Kaleta am Mittwoch auf Twitter. Das Gericht überschreite seine Kompetenzen. "Das ist eine weitere Etappe der Operation, die Polen den Einfluss auf seine Staatsform wegnehmen soll. Das ist Usurpation und Erpressung."
Bereits am 20. September war Polen wegen des Braunkohle-Abbaus Turow an der Grenze zu Sachsen vom EuGH zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Trotz einstweiliger EuGH-Anordnung vom Mai habe Warschau den Braunkohle-Abbau nicht gestoppt, hieß es damals in einer Anordnung der EuGH-Vizepräsidentin Rosario Silva de Lapuerta. Deshalb müsse Polen ab sofort für jeden Tag, an dem es der Anordnung nicht nachkomme, 500 000 Euro Strafe in den EU-Haushalt zahlen.
Erste Reaktionen aus dem Europaparlament auf das neue Zwangsgeld fielen positiv aus. "Das Urteil ist begrüßenswert", sagte der FDP-Abgeordnete Moritz Körner. Die EU-Kommission müsse aber dennoch weiter auch die EU-Corona-Hilfen für Polen zurückhalten. Der Grünen-Politiker Daniel Freund kommentierte: "Der Abbau der unabhängigen Justiz in Polen ist teuer."
dpa/cp/LTO-Redaktion
Einstweilige Anordnung des EuGH-Vizepräsidenten: . In: Legal Tribune Online, 27.10.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46475 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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