Müssen Supermärkte ihre Zigarettenautomaten bald umgestalten? Der EuGH hat entschieden, dass Warnhinweise nicht erst auf der Schachtel selbst, sondern auf jedem Bild, das Verbraucher mit einer Packung assoziieren, zu sehen sein müssen.
Wann müssen Schockbilder etwa von verfaulten Zähnen oder Warnhinweise wie "Rauchen kann tödlich sein" beim Zigarettenkauf im Supermarkt für die Kunden zu sehen sein? Nicht erst auf der Zigarettenschachtel selbst, sondern auch auf jedem Bild, das Kunden mit Packungen von Tabakerzeugnissen assoziieren, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag (Urt. v. 09.12.2021, Rechtssache C-370/20).
Konkret geht es um Automaten im Supermarkt, bei denen die Zigarettenpackung aufs Kassenband fällt, nachdem man per Auswahltaste eine Marke ausgewählt hat. Reicht es, wenn der Kunde die Fotos und andere Warnungen sieht, kurz bevor er die Packung bezahlt, oder muss etwa das Bild einer schwarzen Lunge schon am Automaten zu sehen sein?
Hintergrund ist eine Klage der deutschen Nichtraucher-Initiative Pro Rauchfrei. An den Kassen in zwei Münchener Supermärkten wurden Zigaretten über entsprechende Automaten angeboten, ohne dass Warnhinweise für den Kunden von außen zu sehen waren. "Zumindest müssen die Auswahltasten die Warnhinweise zeigen", sagt Pro Rauchfrei.
Vor dem Landgericht (LG) und dem Oberlandesgericht (OLG) war die Initiative bislang unterlegen. Das OLG München sah keinen Verstoß gegen das Verdeckungsverbot der Warnhinweise, weil die gesamten Verpackungen verdeckt würden. Nach Ansicht der Richterinnen und Richter werden die Zigarettenschachteln noch nicht in den Verkehr gebracht, wenn sie im Verkaufsautomaten vorrätig gehalten werden. Das Verdeckungsverbot besagt, dass die Warnungen vollständig sichtbar sein müssen, also nicht durch Aufkleber, Hüllen oder sonstige Gegenstände verdeckt werden dürfen.
EuGH: Einzelhändler sollen Warnhinweise nicht umgehen
Der Bundesgerichtshof (BGH), der das Verfahren bislang verhandelt hat, hatte sich vor rund eineinhalb Jahren an den EuGH gewandt. Dabei geht es konkret um die Auslegung von Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40 über Tabakerzeugnisse. Danach müssen die vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweise auch auf Bildern von Packungen und Außenverpackungen, die für Verbraucher in der Union bestimmt sind, zu sehen sein.
In seinen Schlussanträgen kam der Generalanwalt am EuGH zu einem anderen Ergebnis als die deutschen vorinstanzlichen Gerichte. Zum einen würden die Zigaretten nicht erst dann in Verkehr gebracht, wenn sie bezahlt werden und zum anderen liege ein Verstoß gegen EU-Recht vor, wenn ein Bild einer Packung keine Warnhinweise habe. Dabei müsse ein "Bild einer Packung" im rechtlichen Sinne nicht zwangsläufig ein getreues Abbild sein, sondern es reiche, wenn ein Durchschnittsverbraucher das Bild aufgrund seiner Gestaltung mit einer Packungen in Verbindung bringt.
So haben es nun auch die Luxemburger Richterinnen und Richter entschieden. Denn letztlich soll durch Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie unter anderem verhindert werden, "dass ein Einzelhändler versucht, jede Präsentation der vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweise an der Verkaufsstelle dadurch zu vermeiden, dass er statt der Packungen mit diesen Warnhinweisen Bilder solcher Packungen ohne Warnhinweise zeigt".
Nun hat der BGH zu entscheiden, ob es sich bei den Bildern auf den Auswahltasten in den Münchener Supermärkten um solche handelt, die die Kunden mit Packungen von Tabakerzeugnissen assoziieren.
mgö/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
EuGH zu Schockbildern: . In: Legal Tribune Online, 09.12.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46883 (abgerufen am: 24.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag