Der EuGH hat die deutsche Regelung zu Pressesnippets gekippt. Die Bundesregierung hätte sie der EU-Kommission zur Prüfung vorlegen müssen. Die Verlegerverbände fordern nun, schnell ein europäisches Leistungsschutzrecht umzusetzen.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das 2013 eingeführte deutsche Leistungsschutzrecht für Presseverlage für nicht anwendbar erklärt, weil die Bundesregierung das Notifizierungsverfahren nicht eingehalten hat (Urt. v. 12.9.2019, Rechtssache C-299/17). Damit ist die deutsche Regelung, die es Suchmaschinen untersagt, kurze Ausschnitte und Zusammenfassungen von Pressetexten (sog. Snippets) zu veröffentlichen, hinfällig.
Union und FDP hatten das umstrittene Leistungsschutzrecht für Presseverlage 2013 kurz vor Ende der Legislaturperiode beschlossen. Die Bundesregierung verzichtete darauf, den Gesetzentwurf vorab der EU-Kommission zu übermitteln. Ein solches Verfahren ist jedoch gem. der EU-Richtlinie 98/34 über Normen und technische Vorschriften der EU-Kommission erforderlich, wenn es um "technische Vorschriften" geht, die einen Dienst der Informationsgesellschaft betreffen. Während des Notifizierungsverfahrens gilt eine dreimonatige Frist, in der die EU-Kommission das Gesetz überprüfen kann.
Die Bundesregierung vertrat die Ansicht, es handele sich nicht um eine technische Vorschrift im Sinne der Richtlinie. Allerdings hatten mehrere Beamte die damalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger darauf hingewiesen , dass man das durchaus anders sehen könne und vor einer "Blamage" für die Bundesregierung gewarnt, wie der Spiegel später bekanntmachte.
Entscheidung des EuGH kommt nicht überraschend
Die Luxemburger Richter entschieden nun in ihrer Antwort auf eine Vorlage des Landgerichts (LG) Berlin, die Bundesregierung hätte die Regelung als "technische Vorschrift" der EU-Kommission vorlegen müssen. Das Leistungsschutzrecht richte sich nämlich ausschließlich an gewerbliche Betreiber von Suchmaschinen und Diensten, die Inhalte entsprechend aufbereiten, um Presseerzeugnisse oder Teile hiervon öffentlich zugänglich zu machen. Die Regelung solle offenbar Online-Verleger gegen systematische Urheberrechtsverletzungen durch Online-Suchmaschinen schützen, so der EuGH.
Neue Regelungen speziell für Dienstleistungen der Informationsgesellschaft müssten aber im Entwurf an die Kommission übermittelt werden, sonst sei sie unanwendbar. Ist dies nicht geschehen, kann die Unanwendbarkeit der Vorschriften geltend gemacht werden.
Vor dem LG Berlin hatte die VG Media, eine Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte, Schadensersatz von Google verlangt. VG Media vertritt u.a. die Verlage Axel Springer, Funke und Dumont und warf Google vor, seit dem 1. August 2013 in seiner Suchmaschine und über "Google News" Pressesnippets ihrer Mitglieder verwendet zu haben, ohne hierfür ein Entgelt zu entrichten.
Verleger fordern schnell europäisches Leistungsschutzrecht
Das LG Berlin muss nun nach Maßgabe des EuGH entscheiden. Da sich die VG Media aber auf eine Rechtsgrundlage beruft, die nicht mehr existiert, ist die Entscheidung auch eine Niederlage für die Verlegerverbände, die das Leistungsschutzrecht gefordert hatten.
Tatsächlich hat das deutsche Leistungsschutzrecht nicht so weitreichende Konsequenzen wie zunächst angenommen. Zum einen hatten viele Medien, darunter auch LTO, schon nach der Einführung des Leistungsschutzrechts auf die Gebührenforderungen verzichtet – sie gehen davon aus, dass die Snippets Leser erst auf die jeweiligen Texte aufmerksam machen, wirtschaftlich also gerade für Medien von Interesse sind.
Zum anderen haben sich mittlerweile die EU-Mitglieder auf eine Reform des europäischen Urheberrechts geeinigt, das auch ein europäisches Leistungsschutzrecht vorsieht. Die Verbände der Verleger – Bundesverband deutscher Zeitungsverleger (BDZV), Verband deutscher Lokalzeitungen (VDL) und Verband Deutscher Zeitschriftenverleger – fordern nun eine schnelle Umsetzung des EU-Urheberrechts. Nun sei es "Aufgabe des deutschen Gesetzgebers, schnell für Rechtssicherheit zu sorgen und das europäische Presseleistungsschutzrecht zügig und eindeutig vorab umzusetzen", heißt es in einer Erklärung der Verbände. Nur so entstehe die erforderliche rechtliche Grundlage, mit der "die berechtigten Ansprüche der Presse gegenüber weltweit agierenden, übermächtigen Infrastrukturbetreibern durchgesetzt werden" könnten.
Das Bundesjustizministerium kündigte laut Deutscher Presse-Agentur an, es werde das EuGH-Urteil prüfen und "zeitnah" einen Entwurf zur Umsetzung des europäischen Leistungsschutzrechts vorlegen. Allerdings ist auch die EU-Urheberrechtsreform umstritten, nicht nur wegen des Leistungsschutzrechts, sondern auch, weil nach wie vor unklar ist, ob das neue EU-Recht erfordert, künftig sog. Upload-Filter einzusetzen.
aka/LTO-Redaktion
EuGH zu Pressesnippets: . In: Legal Tribune Online, 12.09.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37593 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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