Weil das neue Hochschulgesetz gegen EU-Recht verstoße, hat die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet. Ausgangspunkt war eine Investition von US-Milliardär George Soros.
Regierungschef Viktor Orbán weilte gerade ausgerechnet in Brüssel, um vor den Parlamentariern der Europäischen Union (EU) zu sprechen, als die Nachricht eintraf: Die EU-Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen sein Land eingeleitet. Hintergrund ist das neue ungarische Hochschulgesetz, zu dem Orbán sich in Brüssel auch äußerte.
Kurz vor seinem Auftritt hatte die Kommission den rechtlichen Schritt gegen die ungarische Regierung beschlossen. Nach ihrer Ansicht verstößt das neue Gesetz mehrfach gegen Gemeinschaftsrecht, doch Orbáns Regierung hatte sich bislang geweigert, Änderungen vorzunehmen, um es den europäischen Vorgaben anzupassen.
Von dem Gesetz betroffen ist die Central European University (CEU) in Budapest, welche von dem US-amerikanischen Investor und Milliardär George Soros 1991 gegründet worden ist. Diesem wirft Orbán vor, er mische sich in ungarische Angelegenheiten ein und ermutige zur Kritik an der Regierung.
Gesetz bedroht Bestand von Soros-Universität
Soros gilt als Liberaler und seine Universität, die nach eigenen Angaben rund 1.400 Studierende und 370 Lehrkräfte aus mehr als 130 Ländern beherbergt, bezeichnet sich als ideales Umfeld, um zu Themen wie Jungen Demokratien, Wirtschaftssystemen im Übergang, Pressefreiheit und Menschenrechten zu forschen.
Das neue Hochschulgesetz würde verhindern, dass die Lehre an der Universität fortgesetzt werden kann. In den Augen der Kommission beinhaltet es Verstöße gegen Binnenmarkt-Regeln ebenso wie gegen die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit, die akademische Freiheit und das Recht auf Bildung. Zudem beeinträchtige das Gesetz die in der europäischen Grundrechte-Charta verankerte unternehmerische Freiheit und verstoße gegen internationale Handelsabkommen.
Parlamentarier befürworten Verfahren gegen Ungarn
Das Verfahren sei daher "dringend notwendig", befand die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament, Ska Keller. Gleichwohl sei die Kommission bei früheren Verfahren immer vor konkreten Maßnahmen zurückgeschreckt. Auch der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff bezeichnete den Schritt als "überfällig", werde doch "zum ersten Mal seit 1945 eine Universität in der EU aufgrund von politischem Druck geschlossen".
Die SPD-Europaabgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann hält nicht nur die Hochschulpolitik der nationalkonservativen Regierung, sondern auch den Umgang mit Schutzsuchenden und Minderheiten für "völlig inakzeptabel".
Bei Orbáns Auftritt in Brüssel ging es neben dem Hochschul-Streit auch um das Thema Asylpolitik sowie um einen umstrittenen Gesetzentwurf zu nichtstaatlichen Organisationen. Außerdem kritisierte die Kommission Orbáns Fragebogen-Aktion "Stoppt Brüssel!", die auf falschen Fakten und Behauptungen beruhe.
mam/LTO-Redaktion/dpa
Streit um Hochschulgesetz: . In: Legal Tribune Online, 26.04.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22757 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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