Im Kampf um Sonderregeln für die britische Provinz Nordirland nach dem Brexit gibt es neuen Zündstoff: Nachdem London am Montag ein umstrittenes Gesetz vorgestellt hat, reagiert die EU mit rechtlichen Schritten.
Im Streit über Brexit-Regeln für die britische Provinz Nordirland geht die EU nun rechtlich gegen London vor. Damit reagierte die EU-Kommission am Mittwoch auf Gesetzespläne der britischen Regierung, die eine gemeinsame Vereinbarung untergraben könnten - das sogenannte Nordirland-Protokoll. Trotz wiederholter Mahnungen habe die britische Regierung das Protokoll nicht umgesetzt, beklagte die Kommission. "Dies ist ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht."
Konkret geht es um drei Verfahren: Zwei dieser Vertragsverletzungsverfahren werden neu eingeleitet, ein weiteres wieder aufgenommen. Enden könnten diese mit einem Prozess vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) und einer Geldstrafe für London.
Mit dem Schritt eskaliert die EU den Streit verhältnismäßig langsam. Denn Entscheidungen des EuGH dauern zumeist Monate, manchmal länger.
Johnson ist "enttäuscht"
Ein Sprecher des britischen Premierministers Boris Johnson sagte, man sei "enttäuscht". Der von Brüssel gewählte Ansatz erhöhe die Last für die Bürger in Nordirland und sei kontraproduktiv.
Die EU-Kommission hätte als Reaktion jedoch auch weit härtere Gegenmaßnahmen ergreifen können. So hätte die Behörde etwa einen Prozess in Gang setzen können, an dessen Ende Teile des Brexit-Handelsabkommens aufgekündigt werden könnten – mit wahrscheinlich spürbaren Auswirkungen für viele britische Unternehmen. Auch schärfere Warenkontrollen am Ärmelkanal gelten als denkbar, um Druck aufzubauen.
Im nun wieder aufgenommenen Fall geht es um ein im März 2021 eröffnetes Verfahren. London hatte einseitig Übergangsfristen, unter anderem für Lebensmittelkontrollen zwischen Großbritannien und dem ebenfalls zum Vereinigten Königreich gehörenden Nordirland verlängert. Während dies aus Sicht der EU-Kommission einen Vertragsbruch darstellt, hatte London argumentiert, dies sei "Teil einer progressiven Umsetzung des Nordirland-Protokolls im guten Willen".
"Provokation statt Partnerschaft"
Nach dem Brexit war ein Streit darüber entbrannt, wie und wo Waren kontrolliert werden sollen, die aus Großbritannien nach Nordirland gebracht werden. Beide Seiten wollen eine Grenze auf der irischen Insel vermeiden, da befürchtet wird, dass dies in Gewalt enden könnte und den Nordirland-Konflikt wieder anheizen könnte.
Das Nordirland-Protokoll ist Teil des 2019 geschlossenen Brexit-Abkommens. Es sieht vor, dass die zum Vereinigten Königreich gehörende Provinz weiter den Regeln des EU-Binnenmarkts und der Europäischen Zollunion folgt.
Bei den zwei neu eingeleiteten Verfahren geht es ebenfalls um die Umsetzung des Protokolls. London führe erforderliche Kontrollen für bestimmte Produkte nicht durch und sorge zudem nicht für genug Personal und Infrastruktur. "Außerdem hat es Leitlinien herausgegeben, die eine Nichtanwendung von EU-Recht zur Folge haben", so die Begründung der EU-Kommission. Das zweite Verfahren wurde eingeleitet, weil London es unterlassen habe, der EU bestimmte Daten zu übermitteln, wie es eigentlich im Protokoll vorgesehen sei.
Irlands Außenminister Simon Coveney begrüßte das Vorgehen der EU-Kommission. Es sei das Ergebnis einer bewussten Strategie der britischen Regierung, die auf Provokation statt auf Partnerschaft setze, schrieb er auf Twitter.
dpa/pdi/LTO-Redaktion
Streit über Nordirland-Protokoll: . In: Legal Tribune Online, 15.06.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48761 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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