Verfahren bei der Großen Kammer beantragt: Deut­sche Home­schooler erneut vor dem EGMR

09.04.2019

Ein hessisches Elternpaar, das seine Kinder selbst unterrichtet, geht gegen die BRD vor. Es hatte bereits Anfang des Jahres in Straßburg verloren, doch nun möchte es erreichen, dass die Große Kammer des EGMR darüber entscheidet.

Die hessischen Schulpflichtgegner Dirk und Petra Wunderlich verlangen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eine Entschädigung dafür, dass ihnen zwischenzeitlich das Sorgerecht für ihre vier Kinder entzogen wurde. Grund dafür war, dass sie sich weigerten, ihre Kinder in eine staatliche Schule zu schicken und sie stattdessen zuhause unterrichteten. Wie ihre Anwälte am Dienstag bekannt gaben, ersuchen sie nun in Straßburg um ein Verfahren vor der Großen Kammer.

Im Januar hatte der EGMR bereits über ihren Fall entschieden. Damals befand der Gerichtshof, das Recht der Eltern auf Privat- und Familienleben sei durch den Entzug des Sorgerechts und die zwischenzeitliche Unterbringung der Kinder in der Obhut des Jugendamtes nicht verletzt worden. Die deutschen Behörden hätten Grund zu der Annahme gehabt, dass eine Gefahr für die Kinder bestehe. Aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft der Eltern sei das Vorgehen auch nicht unverhältnismäßig gewesen.

Die Eltern hatten auch das Vorgehen der Polizei beklagt, die die Kinder im August 2013 aus der Wohnung geholt hatte, woraufhin sie drei Wochen in einem Heim untergebracht wurden. So sei die Tür dazu mit einem Rammbock geöffnet, die Wohnung "gestürmt", die Eltern zur Seite gestoßen und die Kinder "weggezerrt" worden, wie der Vater vor knapp zwei Jahren bei einem Besuch in Straßburg sagte. Der Staat habe kein Recht, Kinder wegen Heimunterrichts aus ihren Familien zu "entführen", ergänzte er.

Das Familiengericht hatte die Entscheidung damit begründet, dass die Kinder, unabhängig von ihrem Lernerfolg, durch das Fernbleiben aus der Schule sozial isoliert würden. Nach drei Wochen in der Obhut des Jugendamtes waren die Kinder wieder nach Hause entlassen worden. Später nahmen die Eltern ihre Kinder wieder aus der Schule, die sie zwischenzeitlich besucht hatten. Dies hatte aber keine weiteren Konsequenzen, da die Behörden zum Schluss kamen, dass keine Gefahr für die Kinder bestehe.

Unterstützung durch religiöse amerikanische NGO

Bevor es nach Straßburg ging, war das Ehepaar auch vor den deutschen Gerichten unterlegen. Nach der Niederlage vor dem EGMR gibt es noch die Möglichkeit, ein Verfahren vor der Großen Kammer zu verlangen. Diese würde den Fall dann noch einmal verhandeln. Über die Zulassung eines Falls vor der Großen Kammer entscheidet ein fünfköpfiger Ausschuss.

Genau das hat das Ehepaar Wunderlich nun vor. Unterstützt wird es dabei von der Alliance Defending Freedom (ADF), einer konservativ-christlichen Non-Profit-Organsiation aus den USA, die sich u. a. gegen Abtreibungen, für religiöse Freiheit und ein traditionelles Familienbild einsetzt. Die von einflussreichen Spendern unterstützte Organisation führt dazu weltweit Gerichtsprozesse, viele auch vor dem Supreme Court der Vereinigten Staaten.

"Trotz des unter internationalem Recht geschützten Rechts der Eltern, die Bildung ihrer Kinder zu steuern, entschied das Gericht, dass das Eindringen ins Haus der Familie weder 'besonders harsch noch außergewöhnlich' war", wird Robert Clarke, Direktor der Abteilung European Advocacy von ADF International und führender Anwalt der Wunderlichs, auf der Website der Organisation zitiert. Man werde weiterhin "die Familie Wunderlich in ihrem Ansuchen nach einer Bestätigung ihrer Rechte vor der höchsten Instanz des Europäischen Gerichthofs für Menschenrechte unterstützen."

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Verfahren bei der Großen Kammer beantragt: . In: Legal Tribune Online, 09.04.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34813 (abgerufen am: 04.11.2024 )

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