Claudia Pechstein muss die Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshofs CAS wohl akzeptieren, der ihre zweijährige Doping-Sperre aus dem Jahr 2009 bestätigt hat. Der EGMR sieht keinen Grund, an dessen Legitimation zu zweifeln.
Claudia Pechstein hat wahrlich alles versucht. Nachdem sie Anfang 2009 aufgrund auffälliger Blutwerte wegen Dopings gesperrt worden war, begann für sie eine nunmehr zehn Jahre andauernde Odysee vor den Gerichten. Diese hat nun vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zumindest auf europäischer Ebene ihr Ende gefunden. Der EGMR wies mit am Dienstag bekannt gegebener Entscheidung ihren Antrag auf Verhandlung vor der Großen Kammer zurück und wird damit seine Entscheidung aus dem vergangenen Jahr aufrecht erhalten (Az. 67474/10).
Für Pechstein war es der vorerst letzte in einer Reihe von Rückschlägen auf ihrem Weg zur erhofften juristischen Rehabilitation. Bei den Weltmeisterschaften 2009 in Norwegen waren bei der Athletin erhöhte Retikulozytenwerte nachgewiesen worden, was die International Skating Union (ISU), der internationale Verband der Eisschnellläufer, als Beweis für Doping wertete und sie für zwei Jahre von allen Wettbewerben ausschloss. 2015 entschuldigte sich bereits der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) offiziell bei Pechstein und bezeichnete sie als Opfer. Die Sperre durch die ISU sei vermutlich unbegründet gewesen, befand eine eigens eingesetzte Kommission des DOSB.
Vor Gericht aber war der Berlinerin, die in ihrer Karriere viermal an den Olympischen Winterspielen teilnahm und dabei allein fünf Goldmedallien errang, ein Sieg nicht vergönnt. Gemäß der Vereinbarung, die sie mit der ISU geschlossen hatte, musste sie sich der Jurisdiktion des Internationalen Sportschiedsgerichtshofs CAS unterwerfen. Dort versuchte sie es dementsprechend zuerst, als sie Schadensersatz wegen ihrer Sperre von der ISU verlangte.
Kein Gehör vor staatlichen Gerichten
Nachdem der CAS in einer nicht-öffentlichen Verhandlung gegen Pechstein entschieden hatte und auch ihr Rechtsmittel zum Schweizer Bundesgericht ohne Erfolg geblieben war, reichte sie Klage gegen die ISU vor dem Landgericht (LG) München I ein und verlangte dort Ersatz ihres immatriellen Schadens. Nachdem das LG die Klage als unzulässig abgewiesen hatte, landete sie über das Oberlandesgericht schließlich beim Bundesgerichtshof (BGH), der Pechstein eine Absage erteilte. Die Schiedsvereinbarung mit der ISU begründe eine ausschließliche Zuständigkeit des CAS, befand man in Karlsruhe.
Darüber gab es unter Juristen viel zu diskutieren. Nicht zuletzt über die Wertung des BGH, der von einer freiwilligen Zustimmung Pechsteins zur Schiedsvereinbarung ausging. Zwar hatte niemand sie gezwungen, zu unterschreiben, aber ihre Karriere wäre vorbei gewesen, hätte sie es nicht getan. Zum großen Angriffspunkt, den Pechstein wählte und der auch den EGMR beschäftigte, war aber letztlich die Besetzung und Unabhängigkeit des CAS geworden.
Pechstein rügte in Straßburg eine Verletzung ihres Rechts auf ein faires Verfahren aus Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), da es sich beim CAS nicht um ein unabhängiges und unparteiisches Gericht handele. Sie begründete ihr Vorbringen damit, dass die Richter im schweizerischen Lausanne von einem Gremium ernannt werden, das maßgeblich von den Verbänden bestimmt wird. Außerdem hätte man ihr ein öffentliches Verfahren gewähren müssen, so ihr Anwalt.
EGMR bestätigte Unabhängigkeit des CAS
Bereits im Oktober vergangenen Jahres wies eine Kammer des EGMR die Beschwerde Pechsteins gegen die Schweiz, wo der CAS seinen Sitz hat, zurück. Zwar vermochte der Gerichtshof damals durchaus eine mögliche Abhängigkeit der Schiedsrichter von den Verbänden zu erkennen. Er wollte aber in Ermangelung konkreter Hinweise allein deshalb nicht von einer Befangenheit ausgehen
Das Recht auf ein faires Verfahren verhindere nicht die Einsetzung von Schiedsgerichten, stellte der EGMR zunächst fest und erkannte sogar an, dass Pechstein praktisch keine andere Wahl gehabt habe, als sich der Jurisdiktion des CAS zu unterwerfen - was aber für sich genommen nach noch keinen Konventionsverstoß begründe.
Ein solcher wäre nach der Rechtsprechung des EGMR erst gegeben, wenn es sich bei dem Schiedsgericht nicht um ein unabhängiges und unparteiisches Gericht handelte. Das vermochte der Gerichtshof aber auch im zweiten Anlauf nicht zu erkennen. Dabei warf man einen genauen Blick auf die Arbeitsweise und Strukturen des CAS und inwiefern dieser darin staatlichen Gerichten ähnelt. Dazu stützte man sich u. a. auf die Einschätzung des Schweizer Bundesgerichts, welches die Legitimation und Gerichtsähnlichkeit des CAS wiederholt bestätigt habe.
Lediglich die Verweigerung einer mündlichen Verhandlung durch den CAS sahen die Straßburger Richter in Pechsteins Fall als rechtswidrig an und sprachen der Sportlerin dafür eine Entschädigung in Höhe von 8.000 Euro zu.
Wohl keine Hilfe vom BVerfG
Diese Entscheidung wird der EGMR nun nicht mehr überdenken. Somit bleibt es für Pechstein beim Pyrrhussieg in Höhe von 8.000 Euro Entschädigung für die nicht-öffentliche Verhandlung. Ihr endgültig letzter Trumpf war die Beschwerde zum EGMR zwar noch nicht, denn es ist noch eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht anhängig. Dass sich dieses aber in der Sache gegen den EGMR stellen wird, gilt als eher unwahscheinlich.
Pechstein war vor dem EGMR übrigens nicht alleine: Auch der rumänische Ex-Fußballstar Adrian Mutu klagte gegen eine Entscheidung des CAS - mit im Wesentlichen ähnlichen Argumenten wie seine deutsche Sportler-Kollegin. Mutu war 2004 wegen Kokainkonsums von seinem Klub FC Chelsea fristlos entlassen worden und musste ihm später 17 Millionen Euro Schadensersatz zahlen.
* Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels war die Rede von einer Entscheidung der Großen Kammer. Tatsächlich wurde aber lediglich Pechsteins Antrag auf eine solche abgelehnt.
Maximilian Amos, Pechstein-Antrag von EGMR zurückgewiesen*: . In: Legal Tribune Online, 05.02.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33679 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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