Zwar wussten die Behörden, dass ein Ehemann seine Frau und Kinder misshandelte. Mehr als ihm zu verbieten, das gemeinsame Haus zu betreten, hätten sie aber nicht tun können, so der EGMR - auch wenn es später zu einem Mord kam.
Obwohl den österreichischen Behörden bekannt war, dass ein Ehemann seine Familie mehrfach misshandelte, hätten die Behörden nicht mehr tun können, als dem Ehemann zu verbieten, das gemeinsame Haus zu betreten. Zu diesem Ergebnis kam der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Donnerstag (Urt. v. 04.07.2019, Beschw.-Nr. 62903/15). Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass der Ehemann einige Wochen später die Schule seiner Kinder besuchte und einen seiner Söhne im Keller des Gebäudes ermordete. Denn zu diesem Zeitpunkt seien keine Anhaltspunkte erkennbar gewesen, die eine unmittelbare Gefahr für die Kinder nahelegten. Österreich sei damit im Ergebnis seinen Verpflichtungen aus Art.2 der Menschenrechtskonvention (EMRK) nachgekommen, das Leben der Bürger zu schützen.
Nach dem Tod ihres Sohnes verklagte die Frau im Rahmen einer Amtshaftungsklage den österreichischen Staat. Sie war der Ansicht, die Behörden hätten ihren Ehemann in Untersuchungshaft nehmen müssen, da eine unmittelbare Gefahr bestanden hätte, dass er wieder gegen ihre Familie gewalttätig werden würde. Die nationalen Gerichte schlossen sich dieser Auffassung jedoch nicht an, sondern argumentierten, dass zu diesem Zeitpunkt keine Anhaltspunkte vorgelegen hätten, die eine solche Gefahr für die Familie hätten erkennen lassen. Außerdem hätte es gesetzlich keine Möglichkeit gegeben, das Betretungsverbot auf die Schule der Kinder auszuweiten.
Daraufhin klagte die Frau unter Berufung auf Art. 2 der EMRK vor dem EGMR. Die österreichischen Behörden haben es ihrer Meinung nach versäumt, sie und ihre Kinder vor ihrem gewalttätigen Ehemann zu schützen. Aber auch die Richter in Straßburg sahen die Menschenrechte der Frau nicht verletzt. Vielmehr hätten die Behörden im maßgeblichen Zeitraum zu Recht davon ausgehen dürfen, dass andere Maßnahmen als das verhängte Betretungsverbot nicht gerechtfertigt gewesen wären. Die Richter führten aus, dass den österreichischen Behörden zu keinem Zeitpunkt bekannt gewesen sei, dass der Ehemann jemals eine Waffe besessen oder versucht hätte, eine solche zu erwerben. Auch habe sich der Ehemann im Umgang mit den Behörden stets kooperativ gezeigt. Unter Zugrundelegung dieser Umstände sei eine unmittelbare Gefahr der Familie nicht erkennbar gewesen.
tik/LTO-Redaktion
EGMR zur Amtshaftungsklage gegen Österreich: . In: Legal Tribune Online, 04.07.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36275 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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