Journalisten der türkischen Zeitung "Cumhuriyet" sind laut EGMR lediglich auf Grundlage von Spekulationen festgenommen worden. Die Türkei muss den Journalisten nun eine Entschädigung zahlen.
Mehrere Journalisten und Mitarbeiter der regierungskritischen türkischen Zeitung Cumhuriyet sind nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) lediglich auf Grundlage von Spekulationen festgenommen worden. Die vorliegenden Fakten gegen die acht hätten keinen begründeten Verdacht zugelassen, hieß es in dem am Dienstag veröffentlichten Urteil (Urt. v. 10.11.2020, Nr. 23199/17).
Die Festnahme und fortlaufende Inhaftierung vor dem Prozess habe demnach das Recht auf Freiheit von Ex-Chefredakteur Murat Sabuncu, Ex-Herausgeber Akin Atalay, Anwalt Bülent Utku, Karikaturist Musa Kart und weiteren verletzt. Weil sie unrechtmäßig gewesen sei, habe die Inhaftierung vor Prozessbeginn auch ihr Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt. Die Türkei soll den acht Klagenden in dem Fall je 16.000 Euro zahlen.
In einem international aufmerksam verfolgten Prozess waren im April 2018 in der Türkei insgesamt 13 Ex-Mitarbeiter der Cumhuriyet zu Strafen zwischen zweieinhalb und zehn Jahren Haft wegen Terrorvorwürfen verurteilt worden. Als Beweise dienten vor allem Artikel aus der Zeitung. Im September vergangenen Jahres hatte das hohe Berufungsgericht Strafen gegen die ehemaligen Cumhuriyet-Mitarbeiter aufgehoben und die Freilassung der meisten Betroffenen angeordnet, die zu dem Zeitpunkt im Gefängnis saßen.
Allerdings widersetzte sich ein untergeordnetes Gericht mehr als zwei Monate später dem Urteil des Berufungsgerichts und hielt an den Haftstrafen von zwölf ehemaligen Cumhuriyet-Mitarbeitern fest. Lediglich der Journalist Kadri Gürsel wurde freigesprochen und eine Ausreisesperre gegen ihn aufgehoben. Der EGMR sah seinen Klageteil deshalb wie auch den einer weiteren Person als unzulässig an.
Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth sagte der Deutschen Presse Agentur, sie freue sich über das Urteil, es bestünden aber starke Zweifel daran, ob die türkische Regierung es vollständig umsetzen werde. "Umso wichtiger und dringender ist es, dass Deutschland und die EU die Türkei in die Pflicht nehmen und die unverzügliche Umsetzung des Urteils fordern", sagte die ehemalige Grünen-Chefin. Jede Art von Verweigerung sei ein Anlass, den politischen und wirtschaftlichen Druck auf das Land zu erhöhen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan müsse endlich akzeptieren, dass Journalismus kein Verbrechen sei.
dpa/acr/LTO-Redaktion
EGMR: . In: Legal Tribune Online, 10.11.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43383 (abgerufen am: 03.11.2024 )
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