Spätestens zum 1. Januar 2022 müssen Anwälte elektronisch mit den Gerichten kommunizieren. Richterbund und Anwaltverein fordern, dass das auch in Gegenrichtung gelten müsse. Dazu brauche es mehr Koordination, IT-Infrastruktur und Weiterbildung
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) und der Deutsche Richterbund (DRB) sehen erhebliche Defizite bei der bisherigen Vorbereitung des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) mit den Gerichten. Das geht aus einer gemeinsamen Erklärung an die Justizminister der Länder hervor, die LTO vorliegt.
Damit der vom Gesetzgeber beabsichtigte elektronische Rechtsverkehr keine Einbahnstraße bleibe, müssten rechtzeitig Vorkehrungen getroffen werden, heißt es in der Erkärung. Es mangele an Unterstützung für die praktische Umsetzung des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten (ERVG), so die Verbände.
Der größte Berufsverband für Richter und Staatsanwälte und die Interessenvertreter der Deutschen Anwaltschaft finden deutliche Worte. Sie verlangen, dass spätestens zum 1. Januar 2022, wenn die elektronische Kommunikation für die Anwälte obligatorisch wird, auch der elektronische Rückweg vom Gericht zum Anwalt sichergestellt werden müsse; und zwar ohne Medienbrüche auf Gerichtsseite und mit bundesweit identischen Austauschformaten.
Mehr Koordination, IT-Infrastruktur und Weiterbildung
"Anwaltschaft und Richterschaft sehen den elektronischen Rechtsverkehr als große Chance und möchten diesen zur Erfolgsgeschichte für alle Beteiligten machen", so der Präsident des DAV, Rechtsanwalt Ulrich Schellenberg. Die Einführung des Kommunikationsweges sei zentrale Gemeinschaftsaufgabe der Politik und aller an der Rechtspflege Beteiligten, erklärte Christoph Frank, Vorsitzender des DRB. Die bisherigen Anstrengungen reichten aber nicht aus, um die Umsetzung überall fristgerecht und erfolgreich zu gewährleisten.
Die Verbände halten eine bundesweite Koordination der bestehenden und zukünftigen Projekte für notwendig und schlagen vor, eine Stelle dazu bei der Bund-Länder-Kommission anzusiedeln.
Es fehle außerdem vielfach noch an der notwendigen IT-Infrastruktur innerhalb der Gerichte, um die elektronische Weiterverarbeitung der eingehenden elektronischen Dokumente zu gewährleisten. Der Investitionsaufwand müsse geklärt, haushaltsrechtliche Vorgaben nötigenfalls geschaffen werden.
Spätestens mit der obligatorischen Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs müssten alle Daten, welche von Anwälten übermittelt würden, digital aufgenommen und verarbeitet werden können. Mit dieser technischen Entwicklung müsse zudem die des Personals an den Gerichten synchronisiert werden, das entsprechend weitergebildet werden müsse.
ERV soll Verfahren verkürzen, nicht verlängern
"Schon jetzt ist die Verfahrensdauer an deutschen Gerichten zum Teil lang", heißt es in der Erklärung der Verbände an die Länder. Das dürfe durch den ERV nicht schlechter, sondern müsse besser werden, mahnen die Vebände.
Dazu müsse auch der Breitbandausbau massiv vorangetrieben werden, um bundesweit ausreichende Übertragungskapazitäten sicherzustellen, bevor der ERV obligatorisch wird. Derzeit sei eine Datenübertragungsrate von mindestens 6 Mbit/Sekunde nicht im gesamten Bundesgebiet gesichert.
Schließlich sei es "unverzichtbar, die Personalvertretungen an den Gerichten bei der weiteren Entwicklung frühzeitig und begleitend einzubeziehen“, erklärte der DRB-Vorsitzende Frank. Das personalvertretungsrechtliche Modell der punktuellen Mitbestimmung erst am Ende einer Entwicklung, die praktisch unumkehrbar sei, entspreche den Anforderungen im IT-Bereich nicht mehr.
Pia Lorenz, DRB und DAV fordern massive Verbesserungen beim ERV: . In: Legal Tribune Online, 05.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17447 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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